Wort des Tages – Brief an die Arbeitslosen

Wort des Tages – Brief an die Arbeitslosen

Liebe Arbeitslose!

Schon lange wollte ich euch einen Brief schreiben, und immer war wieder etwas anderes zu tun. Das kommt daher, dass ich nicht arbeitslos bin, sondern eigentlich immer viel arbeiten darf. Aber jetzt ist es soweit. Vielleicht denkt sich mancher: Der kann leicht schreiben, der weiß sicher nicht, wie das ist, wenn man ohne Arbeit dasteht. Irgendwie stimmt das. Ich bin mir bewusst, dass man das, was man selbst nicht erlebt hat, nicht einfach nachempfinden kann. Trotzdem kann man eine Vorstellung davon bekommen.

Als ich jung war, war mein bester Freud eines Tages arbeitslos. Er hat mir dann erzählt, wie das ist, wenn man in der Früh aufsteht. Man hat nichts zu tun, nichts vor sich, man fühlt sich nutzlos, alles ist wie eine gähnende Leere. Er hat mir dies so eindrücklich geschildert, dass ich oft daran denke, wenn es um dieses Thema geht.

Sicher gibt es ganz verschiedene Situationen der Arbeitslosigkeit, sodass es unmöglich ist, alle mit diesen Worten zu erreichen. Manche sind es gewohnt, zwischendurch stempeln zu gehen, für manche ist plötzlich wie mit einem Paukenschlag die Arbeitslosigkeit gekommen. Für manche ist schon fix, dass es in absehbarer Zeit weitergehen wird, für manche ist es ungewiss und ein Bangen darum, wie es weitergehen wird. Manche sind trotzdem gut versorgt und bekommen Arbeitslosengeld, für manche wird es dadurch eng mit dem Kredit für das Haus etc….

Manche von Euch werden über die Arbeit nachdenken und vielleicht manches anders, vielleicht viel schöner sehen als früher. Als die Arbeit selbstverständlich war, waren natürlich die damit verbundenen guten Dinge selbstverständlich und man neigte dazu, dieses oder jenes zu beklagen. Ich habe beim ersten Lockdown in einem Wort des Tages über die Arbeit nachgedacht, für manche eine Plage, für manche ein Götze und für den erlösten Christen mehr eine Mitarbeit am Schöpfungswerk Gottes (siehe Pfarrhomepage – Wort des Tages – Arbeit).

Manche werden nachdenken über die Umstände: Warum bin ich arbeitslos? Ist dieser Lockdown sinnvoll, verantwortbar, zielführend? Wie lange wird es unter diesen Umständen noch das Arbeitslosengeld geben? Bin ich ein Opfer? Manche haben das Gefühl, dass es schwer werden wird, wieder anzufangen und hineinzukommen, den „Biss“ wieder zu bekommen.

Die Arbeitslosigkeit kann eine sehr große Herausforderung sein. Mit einigen habe ich darüber gesprochen und möchte ein paar einfache Tipps geben.

Hier gilt besonders der Spruch: Aus der Not eine Tugend machen. Ein Christ kann in jeder Situation versuchen, als Christ zu leben und in der Situation zu wachsen. Dazu einige praktische und dann auch geistliche Hinweise.

Praktische Hinweise:

–          Es ist wichtig, dem Tag eine Ordnung und eine Struktur zu geben. Der Heilige Thomas sagte: Bewahre Ordnung und die Ordnung bewahrt dich. Also pünktlich aufstehen, pünktlich schlafen gehen, den Tag planen, Fixpunkte einplanen.

–          Jeden Tag eine Selbstüberwindung einplanen. Bei der Arbeit ist es selbstverständlich, dass man sich da und dort überwinden und gewisse Dinge einhalten muss. Wenn man arbeitslos ist, muss man sich selbst Dinge auferlegen.  Vielleicht einen Spaziergang bei jeder Witterung, regelmäßig Gymnastik, wie schon gesagt pünktlich aufstehen etc.

–          Die Zeit nützen und vielleicht etwas lernen. Wer Zugang zum Lesen hat, kann gute Bücher lesen. (in der Pfarrbibliothek gibt es auch Bücher, ich selbst könnte auch viele Bücher verleihen – kommt einfach!) Wer handwerklich begabt ist, kann vielleicht diese oder jene Fertigkeit erlernen. Im Hinblick auf spätere schwierige Zeiten wäre es wichtig, viel zu lernen, damit man im Krisenfall zur Selbsthilfe greifen kann. Oder z. B. der Frau helfen und kochen lernen, warum nicht?

–          Nicht zu viel grübeln, wann es anders wird, ob dieses oder jenes gelingt, sich nicht in der Opferrolle suhlen, und vor allem auch mäßig sein im Konsum der Medien, die heute eher Gehirnwäsche als Information betreiben. Vielmehr ist es gut und wichtig, jeden Tag als Einheit zu sehen und das Beste zu versuchen. 

–              Anstatt sich über die momentane Situation zu zerknirschen, wäre es besser, auf das Unrecht der massenweisen Arbeitslosigkeit aufmerksam zu machen und die Verantwortlichen regelmäßig mit den Auswirkungen ihrer Entscheidungen zu konfrontieren, indem man Politiker anruft oder ihnen schreibt und von seinen Bürgerrechten gebraucht macht.

Geistliche Hinweise:

Nun möchte ich auch einige geistliche Hinweise geben. Gestern hat mir ein begnadeter Jurist auf die Frage, was könnte man Arbeitslosen schreiben, einen schönen Satz gesagt: „Im Weinberg des Herrn gibt es keine Arbeitslosen.“

Ihr habt vielleicht schon einmal vom Gleichnis Jesus gehört, wo er vom Besitzer des Weinbergs spricht, der Arbeiter für den Weinberg anheuert. Am Schluss bekommen alle ihren Lohn, der, der zuletzt, also erst am späten Nachmittag dazugekommen ist, bekommt auch den gleichen Lohn.

Jeder getaufte Christ kann im Weinberg des Herrn arbeiten, wenn er will, wenn er im Herzen spürt, ER will es. Und ich bin mir ganz sicher: Jesus hat für jeden von Euch eine Arbeit.

Am letzten Sonntag habe ich mich sehr gefreut, dass so viele Leute in die Heilige Messe gekommen sind. Junge Familien mit Kindern, alte Menschen. Dabei habe ich mir gedacht. Die Kirche ist momentan scheinbar der letzte, der einzige und privilegierte Ort, wo Menschen aller Art, alt und jung, Männer und Frauen etc. zusammenkommen können. Sie können einmal alles hinter sich lassen, die Sorgen auf den Herrn werden und ganz unbeschwert die Gemeinschaft mit Gott und untereinander leben. In der letzten Zeit spüre ich auch, dass die Gottesdienste tiefer, inniger und herzlicher werden. Für viele werden sie zu einer Oase und viele machen die Erfahrung, wie sie in den Worten Jesu im letzten Sonntagsevangelium anklingt: „Das Reich Gottes ist nahe!“

So möchte ich Euch einige geistliche Hinweise geben.

–          Besucht (oder besucht wieder) den Sonntagsgottesdienst!

–          Fangt an, in der Heiligen Schrift zu lesen! Vielleicht jeden Tag einen kleinen Absatz.

–          Versucht es einmal mit dem Rosenkranz (täglich ein Gesätzchen oder später einen ganzen Rosenkranz). Es hat eine unglaubliche Wirkung.

–          Fangt an, die Werktagsmesse zu besuchen. Wenn jemand in der Früh zur Werktagsmesse geht, dann hat er an diesem Tag schon das Wichtigste gemacht, er hat sich einmal selbst überwunden, er wird von Gott eine Kraft empfangen und gestärkt durch den Tag gehen.

–          Jeden Tag eine gute Tat. Das heißt jeden Tag ganz bewusst etwas Gutes tun, jemandem helfen, jemanden aufbauen, jemandem Gutes raten usw. Wenn man selbst einmal nicht gut drauf ist, kann es das beste Rezept sein, jemand anderen aufzumuntern, und schon geht es einem selber auch besser.

Abschließend noch einen Vorschlag. Wenn Dich verschiedene Fragen beschäftigen, wenn du nicht mehr aus und ein weißt oder wenn du manche Dinge nicht einordnen kannst, ruf einfach bei mir an oder komm vorbei. Ein Gespräch ist immer gut und ich bin immer für euch da.

Euer Pfarrer

Ignaz Steinwender