Wort des Tages – Was würdest du tun?

Wort des Tages – Was würdest du tun?

Was würdest du tun?

In der letzten Zeit habe ich sehr oft Gespräche geführt über gegenwärtige Probleme. Wenn ich mich zu Coronamaßnahmen kritisch geäußert habe, dann wurde mir oft die Frage gestellt: Was würdest denn du tun? Bei dieser Frage klingt manchmal Resignation durch, manchmal hat man den Eindruck, sie dient der Ablenkung, weil man auf eine sachliche Kritik nicht eingehen möchte oder man will nicht wahrhaben, dass es doch alternative Lösungen gäbe und die negativen Auswirkungen, die durchaus viele Menschen erkennen können, möglicherweise doch vermeidbar (gewesen) wären.  Man will dadurch etwas verteidigen, was längst nicht mehr zu verteidigen ist. Manchmal hört man hinter dieser Frage das Bedürfnis heraus, selbst nicht verantwortlich sein und entscheiden zu müssen.

Also will ich auf diese Frage antworten: Was würde ich tun oder was würde ich zu tun empfehlen? Wenn man die heutige Krise betrachtet und deren Bewältigungsversuche, dann ist es zunächst wichtig, einige Grundsätze zu formulieren und wichtige Haltungen zu benennen, die einer guten Entscheidungsfindung dienlich sind. Ich beginne bei Letzterem.

Entscheidend sind eigentlich die vier Kardinaltugenden. Die Klugheit, die Gerechtigkeit, die Tapferkeit und das Maß, besonders für Menschen in Führungspositionen. Es ist also wichtig, diese Tugenden zu erwerben und danach zu handeln. Aus diesen Tugenden ergeben sich dann wichtige Grundsätze.

Klug sein heißt, zu versuchen, die ganze Wirklichkeit zu erkennen und dann zum richtigen Zeitpunkt, mit den besten Mitteln, das Richtige zu tun, um das Ziel zu erreichen. Der Kluge hat ein klares Ziel vor Augen, er bemüht sich ständig, die ganze Wirklichkeit, alle Tatsachen und Umstände objektiv zu erkennen, er schätzt die Wirklichkeit richtig ein, wählt die geeigneten Mittel und geht den Weg zum Ziel.

Gerecht sein heißt, zu überlegen: Was steht dem anderen zu? Was ist die gebührende Behandlung für diese Person? So wäre es zB nur gerecht, die ältere Generation zu fragen, ob und wie sie geschützt werden möchte. Als Christ fragt man sich auch: Was ist vor Gott recht?

Tapfer sein heißt, den Mut zu haben, für die Wahrheit einzutreten – auch dann, wenn es einem Nachteile einbringt. Tapferkeit ist die Bereitschaft, für das Gute und Wahre Opfer zu bringen.

Dann kommt noch das richtige Maß, das zu beachten ist.

 Konkret gesprochen: Ich würde den Lockdown sofort beenden, aber sinnvolle, nachweislich wirksame Maßnahmen wie die Einhaltung eines gewissen Abstandes, allgemeine Hygieneregeln, die Begrenzung von Großveranstaltungen beibehalten. Alles andere sollte freiwillig sein und der Eigenverantwortung des einzelnen Bürgers unterliegen. Das Herunterfahren der Wirtschaft ist nicht nur unklug, weil man damit viel mehr kaputt macht, als man rettet, sondern es ist auch in hohem Maße ein Unrecht. Es ist einfach ein Unrecht, wenn man das, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde, unbesonnen aufs Spiel setzt. Es ist eine Verletzung des vierten Gebotes gegenüber jenen, die das alles aufgebaut haben. Es ist auch ein Unrecht gegenüber den Kindern, gegenüber den nächsten Generationen, die das ausbaden müssen. Wenn man die Wirtschaft herunterfährt, dann trifft das genauso das Gesundheitswesen, da die Gefahr droht, dass wir uns unser hervorragendes Gesundheitssystem auf Dauer nicht mehr leisten können, und letztlich viele weitere Bereiche beschädigt werden, so geht der Schaden schier ins Unermessliche.

Ähnlich ist es mit dem Schulbetrieb. Ich würde ihn sofort wieder aufnehmen, im Interesse der Klugheit und der Gerechtigkeit.  Die Schließung der Schulen bringt unheimlich große Schäden (Bildungsverlust mit vielen weiteren Folgen über Generationen, psychische Schäden, soziale Schäden etc.), sie ist unverhältnismäßig.

Bei allen Maßnahmen sollte man das rechte Maß betrachten. Die Kollateralschäden – und hier muss man auch die langfristigen einbeziehen – sollten berücksichtigt werden und den Schaden, vor dem man sich schützen will, nicht übersteigen.

Der Schutz vor dem Virus wird heute vorwiegend an Kontakt- und Ausgangsverboten und dem Tragen von Masken festgemacht. Gleichzeitig wird das Immunsystem vieler Menschen durch die Nebenwirkungen mancher Maßnahmen geschwächt. Weniger Bewegung, eingesperrt sein zu Hause, Vereinsamung, psychische Schwächung durch Kontaktverbote oder Kontaktminderung, große Belastungen durch das lange Tragen von Masken am Arbeitsplatz und viele andere Vorschriften. Ich vermute, dass diese Dinge viel mehr anrichten, als sie bewirken sollen. Hier könnte man noch die Schwächung des Immunsystems durch die politische und mediale Angstmache, durch die Spaltung in der Bevölkerung, die immer tiefer wird, die Belastungen durch Arbeitslosigkeit und Homeschooling etc. anführen.

Wäre es nicht viel zweckmäßiger, statt extremer Einschränkungen eine positive Stärkung des Immunsystems durch gesunde Ernährung, Bewegung an der frischen Luft, durch Hoffnung weckende Informationen und Freude an der Gemeinschaft etc. zu fördern?

Zusammenfassend würde ich also sagen:

Nach Klugheit streben, d. h. sich gut, objektiv informieren, verschiedene Standpunkte hören und stets bereit sein zu lernen.

Die Gerechtigkeit fördern: Kein Unrecht tun, ungerechte Vorschriften nicht ausführen und sich Unrecht nicht gefallen lassen.

Dazu braucht es den, Mut, d. h. die Tapferkeit, die Bereitschaft für das Recht einzutreten und in allem das rechte Maß suchen.

Ich glaube, dass die gegenwärtige Krise auch einen geistigen bzw. geistlichen Hintergrund hat und zur Überwindung besonders auch geistliche Hilfe braucht:

Bei der Coronakrise scheint es mir sehr wichtig zu sein, welche Haltung haben wir zum Leben und zum Sterben? Worauf setzen wir unsere Hoffnung?

In der heutigen Lesung sagt der Apostel Paulus: Die Zeit ist kurz (…) Die Gestalt dieser Welt vergeht. Jesus sagte einmal: Was nützte es jemandem, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden an seiner Seele nimmt. Und an anderer Stelle heißt es: Suchet zuerst das Reich Gottes. Alles andere wird euch dazugegeben!

Es wird heute der Eindruck erweckt, als ob man das Sterben verhindern könnte und es wird eine extreme Angst vor dem Sterben geschürt. Man tut so, als ob der Mensch alles im Griff hätte oder im Griff haben müsste. Man anerkennt nicht seine Geschöpflichkeit und die Grenzen, die dem Menschen gesetzt sind. Die negative Einstellung zum Sterben hängt nicht nur mit der Verdrängung des Todes, sondern auch damit zusammen, dass wir unerfüllt leben oder am eigentlichen Leben vorbeigehen. Es gilt die „Ars moriendi“, die Kunst des Sterbens zu erlernen. Wenn wir unsere Hoffnung nur auf vergängliche Dinge setzen, auf die Welt, deren Gestalt vergeht, dann müssen wir Angst haben, diese zu verlieren, dann sind wir umso mehr anfällig für Ängste, Panikmache etc. Die Gesundheit ist ein hohes Gut, aber sie ist vergänglich und jeder wird sie einmal verlieren. Wenn die Gesundheit die Hauptsache ist, dann laufen wir Gefahr, ein noch höheres Gut, das Heil des ganzen Menschen, zu verlieren. Wenn wir unsere Hoffnung auf Gott setzen, dann können wir unsere menschlichen Grenzen annehmen, brauchen den Verlust vergänglicher Dinge nicht zu fürchten und wir bekommen die Gabe, die Zeit wirklich zu nützen.

Ich möchte drei Dinge vorschlagen, um die Zeit zu nützen: Lernen, leben, lieben.

  • Wir sollen immer und jederzeit dazulernen, besonders Krisen sind auch Möglichkeiten zu lernen, alle Schwierigkeiten, denen wir uns stellen, können uns um Vieles weiterbringen. Vielleicht ist die wichtigste Lehre, die wir aus der Krise noch nicht gezogen haben: Wir haben nicht alles einfach im Griff. Gewisse Dinge müssen wir einfach annehmen und bewältigen, so gut es geht. Wenn wir das lernen, dann schützt uns das vor unüberlegten, verhängnisvollen und unverhältnismäßigen Maßnahmen.
  • Wir sollen leben. D. h. nicht nur etwas vom Leben haben, sondern das Leben selbst. Das heißt das ewige Leben anstreben. Das ewige Leben, das Heil ist das einzige Gut, das wir nach dem Motto „Koste es, was es wolle“ schützen sollen. Und umgekehrt: Das ewige Leben auf das Spiel zu setzen für ein irdisches Gut, ist eine Torheit. Viele Heilige haben gelehrt, man solle täglich einmal an den Tod denken. Das macht uns weise, einsichtig und lehrt uns, wirklich zu leben und einmal im Frieden zu sterben.
  • Wir sollen lieben. Der Mensch ist auf Erden, sagte Mutter Teresa einmal, um zu lieben und um geliebt zu werden. Jeder Tag, jede Begegnung sollte als Möglichkeit erkannt werden, zu lieben.

Es gibt nun geistliche Mittel, die uns helfen, umzukehren, die Zeit wirklich zu nützen und die Hoffnung auf das Wesentliche zu setzen, um dann die Kraft zu bekommen, klug, gerecht, tapfer und mit Maß durch das Leben zu gehen.

Ich schlage euch einige Dinge vor

  • Lest regelmäßig aus der Schrift, das ist ein wichtiges Mittel. Lest Biographien von Heiligen!
  • Betet regelmäßig, fangt wieder an, allein und auch gemeinsam zu beten, das gibt eine ungeheure Kraft.
  • Bemüht euch nach Kräften, ganz einfach nach den zehn Geboten zu leben.
  • Und noch ein Mittel: Wenn ihr Zweifel, Ängste oder Fragen habt, ruft einfach den Pfarrer an! Ein Gespräch mit dem Pfarrer kann auch vieles bewirken.

Zusammenfassend würde ich also auf die Frage, was ich tun würde, antworten:

Den Lockdown beenden. Versuchen, die vier Kardinaltugenden zu erlernen und zu leben. Die Zeit nützen und die geistlichen Mittel ergreifen.

Euer Dekan

Ignaz Steinwender