Wort des Tages – Herr, bleibe bei uns!
Am Ostermontag wird das Evangelium von den Emmausjüngern gelesen. Der Weg dieser beiden Jünger von Jerusalem nach Emmaus wird zu einem Weg der Glaubenserkenntnis und führt zur Begegnung. Der Herr geht mit ihnen, aber sie erkennen ihn noch nicht. Sie sind niedergeschlagen, die Ereignisse der letzten Tage lasten auf ihnen, sie sind wie blind. Der Herr erschließt ihnen den Sinn der Schrift, sodass sie die Ereignisse in diesem Lichte deuten und erkennen können. Schließlich kommen sie in Emmaus, ihrem Dorf an. Dort fällt ein wichtiges Wort. Die Jünger drängen den Herrn und sagen: Herr, bleibe bei uns, denn es wird Abend werden. Es ist ein Wort der Gastfreundlichkeit. In dieser Einladung ist auch die Dankbarkeit enthalten für das Mitgehen, für das Erklären der Schrift. Vielleicht ist darin auch eine Bitte enthalten. Herr, bleibe bei uns, führe uns weiter ein in den tieferen Sinn der Schrift, damit wir ganz, damit wir alles erkennen. Mit dieser Einladung hat das brennende Herz mehr gesprochen, als der Mund gesagt hat. Der Herr nimmt die Einladung an. Beim Brotbrechen gingen ihnen dann die Augen auf! Sie erkannten ihren Herrn und Meister. Der Weg mit ihm hat nun zur Begegnung geführt. Jetzt ist Ostern! Die Jünger werden Zeugen der Auferstehung, sie verkünden diese Botschaft, das neue Leben beginnt, das Antlitz der Erde wird sich verändern!
Herr, bleibe bei uns, denn es wird Abend werden. Heute, am Ostermontag, dürfen wir diese Worte der Emmausjünger in die gegenwärtige Zeit hineinstellen. Fragen wir uns: Ist der Herr bei uns, ist er in unserer Mitte? Ist es nicht Abend geworden, im Abendland, im Westen, in unserem Heiligen Land Tirol, in unserer Kirche? Ist der Herr bei uns? Oder haben wir, haben viele ihn bereits verlassen? Die Hirten haben angeordnet, dass zu Ostern keine öffentlichen Gottesdienste sein sollen, nur im kleinsten Kreis, die Türen der Kirchen sollten verschlossen sein für viele, oder für die wenigen, die überhaupt noch kommen. Was bedeutet das? ER ist da, er soll da sein, aber …..? Was wird das bedeuten für die kommende Zeit? Was sagt der Herr dazu?
In der Vergangenheit haben wir oft die Frage gestellt: Kommen die Menschen zum Herrn, wie viele Menschen kommen? Oder man hat gefragt, wie viele Menschen verlassen den Herrn, die Kirche? Es gibt auch eine andere Form zu fragen: Wird der Herr bei uns bleiben? Könnte nicht der Herr uns, sogar Seine Kirche verlassen? Könnte ER den Leuchter von unserer Ortskirche wegstellen? Wir sollten die Bitte der Emmausjünger jeden Tag in den Mund nehmen. Herr bleibe bei uns, denn es ist Abend geworden!
Liebe Gläubige! Ich denke, es geht euch wie mir. Ich denke täglich darüber nach. Was ist jetzt eigentlich geschehen? Was hat das zu bedeuten? Ein Bischof hat vermessen gesagt, man könne es nicht als Strafe Gottes verstehen. Ein einfacher, realistischer Katholik hat mir gesagt: Das ist doch ganz klar eine Geißel Gottes. In diesen Tagen ist viel mehr geschehen als wir vielleicht erfassen können! Und es wird in nächster Zeit vieles geschehen! Wir werden jetzt nicht alles erkennen, aber eines, denke ich mir, ist sicher: Jetzt ist eine Zeit der Gnade. Der Herr sagt uns etwas damit. Jetzt liegt es an uns, diese Zeit zu nutzen. Denn die Zeit der Gnade geht einmal zu Ende.
Von den Emmausjüngern heißt es: Dann gingen ihnen die Augen auf. Es wird der Zeitpunkt kommen, vielleicht schon bald, das wissen wir nicht, wo jedem die Augen aufgehen werden, nur auf verschiedene Weise.
Die einen werden, so wie die Emmausjünger, erkennen: ER ist es. Der Herr ist da, es ist der Herr der Geschichte, es ist der Herr, der uns beim Namen gerufen hat! Sie werden eine ganz tiefe, erfüllende Osterfreude erleben, mitten in einer Zeit, wo sich die Ereignisse überstürzen. Andere werden erkennen: ER, der Herr ist nicht bei uns geblieben, weil ihr ihn auch gar nicht darum gebeten haben. Wir bleiben allein. Wir sind uns selbst überlassen, uns selbst ausgeliefert. Eine große Einsamkeit und Angst wird den Menschen erfassen, und die Erkenntnis: Jetzt können wir nur mehr das tun, was wir wollen, mit allen Konsequenzen. Wir sind allein, in unserer selbstgemachen Welt, in unserer selbstgemachten Kirche!
Liebe Gläubige! Gott spricht zu uns, durch die Worte der Heiligen Schrift, in unserem Gewissen und durch die Ereignisse unserer Zeit. Wir dürfen sein Wort erfassen, annehmen und wir dürfen noch mehr, wir dürfen ihm begegnen, wir dürfen in seiner Gegenwart sein, die er uns geschenkt hat und immer noch schenkt. Die Eucharistie, das Brotbrechen ist für uns eine Quelle des Glaubens und ein Gipfel. Es ist der Ort der Begegnung mit IHM. Es ist der Ort, wo ER uns, die wir mit brennendem Herzen kommen, immer wieder neu die Augen öffnet!
Herr, öffne unsere Augen! Herr, bleibe bei uns! Amen.