Der Hahn auf dem Kirchturm – Predigt
Symbol für Christus, Wachsamkeit, Reue und Tapferkeit
20. Sonntag im Jahreskreis, Zell, am 20. August
Im heutigen Tagesgebet waren die Worte des Heiligen Paulus eingebaut: „Was kein Auge gesehen hat, was kein Ohr gehört hat, was in keines Menschen Herz je gedrungen ist, das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.
Diese Worte sind wie ein helles Licht, die uns auf etwas Größeres hinweisen, nämlich auf die Auferstehungswirklichkeit.
In den letzten Tagen und Wochen haben mir viele Menschen erzählt, wie sie die Unwetter im Juli erlebt haben. Immer wieder habe ich die Meinung oder Festellung gehört, dass es eigentlich ein Wunder war, dass bei den großen Schäden nicht mehr passiert, dass nicht auch Menschen direkt zu Schaden kamen. Dies könnte man auch auf unseren Kirchturm übertragen. Mein Aushilfspriester hat mir berichtet, dass der Turm beim Unwetter etwa einen Meter hin und hergeschwankt ist, schließlich hat es die Turmspitze mit dem Hahn verbogen. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn die Turmspitze die 72 m heruntergefallen wäre.
Am vergangenen Freitag ist auch ein handwerkliches Wunder geschehen, nämlich die Reparatur des Kirchturms, insbesondere der Spitze mit dem Hahn, innerhalb kürzester Zeit. Es wurde ein riesiger Kran aufgestellt, der den 72 Meter hohen Kirchturm überragte, sodass die Handwerker den Kirchturmhahn entfernen konnten, die Reparatur durchgeführt und er gleich wieder aufgesteckt werden konnte. Währenddessen haben Dachdecker durch den Sturm herausgerissene Schindeln am Kirchturm wieder ersetzt. Die gesamten Reparaturen dauerten nicht einmal einen ganzen Tag.
Vielleicht ist dieser Anlass auch einmal ein Grund, darüber nachzudenken, warum wir einen Hahn auf dem Kirchturm haben, warum auf vielen Kirchtürmen ein Hahn ist. Nebenbei bemerkt ist der Hahn auch ein Symbol für den Heiligen Vitus, unseren Pfarrpatron, sodass der er für uns von doppelter Bedeutung ist.
Symbol für Christus das Licht
Wenn in der Früh der Hahn kräht, dann zeigt er an, dass die Finsternis weicht und der Tag anbricht. Geistlich zeigt der das Verschwinden der Finsternis an durch Christus, das kommende Licht. Er symbolisiert so Christus, der das Licht der Welt ist. Diese Symbolik wird ja in der Osternacht besonders deutlich, wenn der Priester mit der Osterkerze in die dunkle Kirche einzieht und dann dieses Symbol des Lichtes mit Blick auf die Auferstehung besingt. Hier wird deutlich, dass das Dunkel der Hoffnungslosigkeit durch Christus, der das Licht ist, überwunden wird. Auch in der Taufe wird beim Anzünden der Taufkerze auf Christus, das Licht hingewiesen. So erinnert uns der Hahn daran, dass wir als Getaufte Kinder des Lichtes sind und als solche leben sollen. Der Hahn verweist dann auf die wichtigen Eigenschaften, die mit dem Lichtsein zusammenhängen, die Wachsamkeit, die Reue und die Tapferkeit.
Symbol der Reue und Umkehr
In einem Hymnus zum Breviergebet heißt es:
„So stehet rasch vom Schlafe auf:
Der Hahn weckt jeden, der noch träumt.
Der Hahn bedrängt, die säumig sind,
der Hahn klagt die Verleugner an.
Aus der Leidensgeschichte Jesu wissen wir, dass Petrus sich durch einen Hahnenschrei erinnerte, dass er Jesus verleugnet hat, eine tiefe Reue erweckt und umkehrte. Der Reueschmerz war so tief, das Petrus weint. So ist der Hahn auch ein Symbol für Reue und Umkehr und wird an manchen Beichtstühlen dargestellt. Die Reue ist eine Gabe Gottes, die Fähigkeit, einen Schmerz zu empfinden über das Geschehen. Diese Reueschmerz bewahrt den Menschen vor Verzweiflung und reinigt und läutert ihn, sodass dass wieder ein großer Neubeginn entstehen kann. Aus einer wahren Reue geht der Mensch befreit und gestärkt, wirklich erneuert hervor. Der Heilige Bernhard sagte einmal: „Durch die Tränen wird das früher getrübte Auge hell und das Gesicht geschärft für den Blick auf das wahre Licht“, und er sagt weiter: „Reinige das Auge, damit du das reinste Licht schauen kannst.“
Symbol für Wachsamkeit
Der Hahn hat die Funktion des Wächters, er weckt die Menschen auf. So ist er geistlich Symbol für Wachsamkeit und Treue. Wir werden geweckt aus dem Schlaf des Irdischen zum ewigen Leben, zur Auferstehung. So ist der Hahn auch Hinweis auf die Auferstehung. Der Hahn erinnert die Christen daran, aufzuwachen, sich im Glauben mit Christus zu verbinden und sich vor dem Bösen in Acht zu nehmen. Der Hahn erinnert an die Jesusworte am Ölberg: „Wachet und Betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!“ und an anderer Stelle: „Seid allezeit wachsam, denn der Herr kommt wie ein Dieb in der Nacht.“ Der Heilige Apostel Petrus sagt: „Seid nüchtern und wachsam, der Teufel geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann.“
Der Heilige Bernhard sagt einmal im Hinblick auf Versuchungen: „Es ist ja das große Glück, den Wurm dann zu spüren, wenn er noch vernichtet werden kann.“
Als Christen sollen wir ernsthaft den tödlichen Schlaf des Vergänglichen, das Eingelulltsein in Wohlstand- und das Befangensein im Zeitgeist überwinden und wach werden für das geistliche Leben, für unsere Berufung zu Gott und auch für die wirklichen Herausforderungen der Zeit.
Symbol der Tapferkeit:
Der Hahn ist auch ein Symbol für die Tugend der Tapferkeit. Er verteidigt die Hühner, sein Auftreten, seine Kampfeslust erinnert uns daran, dass wir als Christen tapfer sein sollen, dass das Glaubensleben auch ein Kampf ist, dass wir Farbe bekennen sollen. In den letzten Jahrzehnten ist das Bewusstsein dafür, dass man im Glauben ringen muss, vielfach verloren gegangen. Glaube wurde oft verwechselt mit einem gemütlichen Beisammensein, man erregt keinen Anstoß und ist halt nett.
Wahrer Glaube bedeutet aber: Man muss in die Tiefe gehen, um eine Gottesbeziehung ringen, dem Widersacher widerstehen und sich geistlich auseinandersetzen. Man muss tapfer sein bei der Verkündigung des Glaubens, in der Treue zum Glauben und wenn es darum geht, Nachteile und Schwierigkeiten anzunehmen und eben standzuhalten. Wer nicht um den Glauben kämpft, der hat schon verloren, wer kämpft, wird stärker und ist schon auf der Seite des Siegers.
Liebe Gläubige! Gerade heute soll uns bewusst werden, wie wichtig und entscheidend es ist, sich auf Christus, das Licht zu beziehen und die Tugend der Wachsamkeit, die Fähigkeit zur Reue und Umkehr und die Tapferkeit zu erlernen, zu bewahren und zu verstärken.
In der heiligen Messe begegnen wir Christus dem Licht, am Beginn steht ein Bußakt, d. h. Reue und Umkehr und wir sind angehalten, wachsam das Wort Gottes aufzunehmen, um IHM dann wirklich zu begegnen. Dies stärkt uns, damit wir dann die Messe als Gesandte verlassen können, bereit, treu und tapfer im Alltag den Glauben zu leben. Amen.
Ignaz Steinwender