Die Geschichte des Tiroler Herz-Jesu-Gelöbnisses
Im Jahre 1796 besetzt der 27-jährige Napoleon den Großteil der Lombardei und schickte sich an, Tirol und Kärnten zu erobern. Im Angesicht dieser Gefahr, die die Tiroler unvorbereitet traf, berieten die Landstände Maßnahmen zur Verteidigung. Dabei kam es über Vorschlag des Abtes von Stams zum Herz-Jesu-Gelöbnis. Die 24 versammelten Vertreter der Landstände (Adel, Klerus, Städte, Gerichte, drei landschaftliche Beamte) beschlossen dabei auch Gott, an dessen Segen alles gelegen sei, besonders in diese Angelegenheit einzubinden, wie das auch im Jahre 1703 im Angesicht der Bayergefahr erfolgreich getan wurde. Die Landstände wollten sich der Hilfe und des Schutzes des Heiligsten Herzens Jesu versichern und gelobten am 1. Juni 1796, künftig das Herz-Jesu-Fest im ganzen Land feierlich zu begehen. Am 3. Juni 1796 wurde dieses Gelöbnis erstmals erfüllt.
Nachdem sich die Österreicher nach der unglücklichen Schlacht von Rivoli im Jänner 1797 nach Kärnten zurückzogen, konnte Napoleon zunächst ungehindert mit 20.000 Mann in Tirol einrücken und besetzte Trient, Salurn, Bozen und schließlich am 24. März Brixen.
Am 2. April 1797 kam es zu einem Gefecht bei Spinges, bei dem die Franzosen von den Tirolern vernichtend geschlagen wurden. Sie verließen fluchtartig das Land und Tirol war ab 13. April 1797 wieder frei. Nebenbei bemerkt: Der aus Tux stammende Kapuziner Norbert Stock, er war Dichter, Festprediger, Patriot, hat in seinem Testament angeordnet, dass bei seinem Begräbnis die „Spingeser Sturmfahne“ getragen werden soll.
1805 wurde Tirol durch den Frieden von Preßburg der Herrschaft der Bayern unterstellt, die mit staatskirchlichen Maßnahmen das religiöse Leben einschränkten (Verbot der Rorateämter, der Weihnachtsmette, Rosenkranzgebet, Heilige Gräber, Wettersegen, Wetterläuten, Glockengeläute für Verstorbene, Herz-Jesu-Fest). Nun war das Maß voll und es kam zum Aufstand der Tiroler unter Andreas Hofer, der vor der zweiten Bergiselschlacht das Herz-Jesu-Gelöbnis erneuerte und nach der Schlacht den Herz-Jesu-Feiertag einführte.
Das Herz-Jesu-Gelöbnis wurde bei wichtigen Gelegenheiten immer wieder erneuert (1848, 1859, 1862 1866, 1870, 1876, 1896, 1909, 1914, 1946 und 1996. Zum 100-jährigen Jubiläum wurde beschlossen, in Innsbruck eine Herz-Jesu-Kirche zu bauen, die 1898 eingeweiht und 2019 an die serbisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft abgegeben wurde.
Pfarrer Paul Haider hat in seinem empfehlenswerten Herz-Jesu- und Marienbüchlein darauf hingewiesen, dass das Herz-Jesu-Gelöbnis vom Ursprung her eng mit politischen Ereignissen verbunden ist und dass sich das Heilshandeln Gottes ja in konkreten geschichtlichen Ereignissen vollzieht. Er schloss daraus, dass die Herz-Jesu-Verehrung nicht einseitig ein Ausdruck des Patriotismus und auch nicht bloße Tradition sein soll, sondern sie muss von der Glaubensüberzeugung getragen sein.
Die beständige Erneuerung des Gelöbnisses und die heilgeschichtliche Erfahrung hat mit der Zeit dazu geführt, beim Gelöbnis auch von einem Bund, wenigstens im Sinne eines stillschweigenden Bundes zu sprechen in dem Sinne, wie es Pfarrer Haider interpretierte:
„Das Volk von Tirol verspricht, das Herz Jesu besonders zu verehren, aus dem Glauben zu leben und Gottes Gebote zu achten – Christus will dafür diesem Volk seine Liebe, seinen Schutz und seine Hilfe zukommen lassen.“
Wenn man die gegenwärtige Lage in Europa nüchtern betrachtet, dann könnte man zu einem Schluss kommen. Jetzt wäre es entscheidend, das Herz-Jesu-Gelöbnis wirklich zu erneuern, im Angesicht realer, nie dagewesener Kriegsgefahr. Dazu bedürfte es aber einer radikalen Umkehr, denn der Bund mit dem Heiligsten Herzen Jesu scheint gebrochen.
Wenn wir das Herz-Jesu-Fest feiern, dann sollte es diesmal mit dem Gedanken von radikaler Umkehr und Sühne für begangene Frevel verbunden sein!