Stellungnahme zu Medienberichten über Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche
Stellungnahme des Generalbischofs der Koptisch-Orthodoxen Kirche Anba Damian
zur aktuellen Presseberichterstattung über den Münchner Gutachten zu Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche:
Mit Bedauern und Bestürzung nehmen wir Kopten als ägyptische Christen, von denen viele vor dem islamistischen Terror nach Deutschland geflüchtet sind, die tendenziöse Berichterstattung der deutschen Medien über die katholische Kirche zur Kenntnis.
Die römisch-katholische Kirche ist mit über einer Milliarde Gläubigen die größte christliche Kirche, ja die größte Religionsgemeinschaft der Welt. Diese Kirche verdient unseren Respekt, unser Vertrauen, unsere Hochachtung, Dankbarkeit und Liebe.
Wir sind eine Schwesterkirche, d.h. wir teilen Freude und Leid. Schon daher fühlen wir uns ebenfalls von den Angriffen auf die röm.-kath. Kirche betroffen. Unsere beiden Kirchen sind, theologisch betrachtet, intakte Organe im Leib Christi. Christus selbst ist das Oberhaupt der universalen, also weltweiten Kirche.
Wir Kopten haben der katholischen Schwesterkirche viel zu verdanken, ganz speziell auch hier in Deutschland. Wir danken ihr für die Überlassung zahlreicher Gotteshäuser, damit wir unsere koptisch-orthodoxen Gottesdienste feiern können. Wir danken ihr für die Ausbildung unserer jungen Menschen in weltlichen wie geistlichen Berufen an ihren Schulen, Hochschulen und Universitäten, für ihre karikative Tätigkeit weltweit wie in unserer ägyptischen Heimat, ihren großen Einsatz in der Verteidigung der Menschenrechte, aber auch für die vielen wohltuenden Begegnungen, gemeinsamen Gebete und sonstigen Aktivitäten. Diese Kirche ist für uns und für die ganze Menschheit ein Segen. Die Welt wäre so viel ärmer, die Armen wären ohne Hilfe und ohne eine mächtige Stimme ohne sie. Niemand hat das Recht, diese ehrwürdige und segensreiche Institution aufgrund eines einzigen Problemkreises herabzuwürdigen oder zu ihrer Zerstörung beizutragen.
Die Meinungsfreiheit und Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland erlauben öffentliche Kritik an führenden Persönlichkeiten und das ist auch gut und richtig so. Allerdings sollte man doch zwischen guter und wichtiger konstruktiver Kritik und destruktiver, diffamierender, ja ehrabschneidender Kritik unterscheiden. Letztere ist von jedem, der Anstand und Respekt vor seinem Nächsten besitzt, abzulehnen.
Jede Form von Kindesmissbrauch, gleich, wer die Täter sind, darf nicht verharmlost werden und ist schonungs- und kompromisslos in aller Transparenz aufzuklären. Wogegen wir uns allerdings verwehren ist jeder Generalverdacht, jede Pauschalisierung und jede einseitige Perspektive. Es mag dutzende pädophile Straftäter im Priestergewand geben. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer noch 99 % der pädophilen Straftaten von Laien, in den meisten Fällen sogar von Familienmitgliedern, begangen werden. Noch weniger dürfen wir aus den Augen verlieren, dass trotz dieser Verfehlungen Einzelner die überwiegende Anzahl der katholischen Priester ihren aufopferungsvollen Dienst in tadelloser Integrität verrichtet, ein Segen für die Gemeinden und Gläubigen ist und einen unersetzlichen Dienst für unsere Gesellschaft leistet.
Die Vertrauenskrise, die aus der medial aufgebauschten Missbrauchskrise erwuchs, verlangt nach einer Antwort: Ein konstruktiver, zukunftsorientierter Plan für die Wiederherstellung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Kirche muss energisch umgesetzt werden, um der fatalen Folge einer Entkirchlichung, nämlich die daraus resultierende Entchristianisierung der deutschen Gesellschaft vorzubeugen. Intensive Investitionen in die Erziehung von Kindern und Jugendlichen mit dem Ziel einer frühen Integration in das kirchliche Leben sollten im Zentrum dieses Zukunftsplanes stehen und ein neuer Fokus des kirchlichen Dienstes sein.
Die Verfehlungen von kirchlichen Führungspersönlichkeiten müssen ehrlich benannt, dürfen aber nicht zu politischen oder weltanschaulichen Kampagnen missbraucht werden. Sie sind in ein gesundes Verhältnis zu setzen mit den Verfehlungen anderer Konfessionen, Religionen, Weltanschauungen und politischer Ideologien dieser Erde. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!
In der koptischen Kirche beten wir: „Keiner ist frei von Unreinheit, selbst wenn sein Leben auf der Erde nur einen einzigen Tag gedauert hat“. Die Hirtenämter der Kirche sind nicht mit Göttern besetzt – es gibt nur einen Gott! -, sondern mit fehlbaren Menschen. Selbst Petrus, der erste Papst, das Fundament der Kirche und unser Vorbild, hat zahlreiche Fehler gemacht, von denen wir in den Evangelien lesen, bis hin zur dreifachen Verleugnung seines und unseres Herrn Jesus Christus. Trotzdem, obwohl er sündhaft und fehlbar war, hat Jesus Christus ihn mit der Gründung Seiner Kirche beauftragt und zu ihrem Oberhirten bestimmt.
Die Art und Weise, wie Seine Heiligkeit, Papst emeritus Benedikt XVI.; derzeit von den Medien behandelt wird, deren unfaire Berichterstattung, Unterstellungen und Diffamierungen, lehnen wir strikt ab. Er hat es nicht verdient, so behandelt zu werden. Er verdient unsere Solidarität, Hochachtung, Liebe, unser Vertrauen und unseren Respekt. Die Welt, allen voran die universale Kirche, hat ihm viel zu verdanken. Haben wir vergessen, wie einst eine große Tageszeitung titelte: „Wir sind Papst“? Jetzt folgt, auf das „Hosianna“ von damals, der Ruf nach seiner medialen Kreuzigung und gesellschaftlichen Ächtung. Mein Herz blutet, wenn ich sehe, wie dieser weise und integre Mann und die ehrwürdige katholische Kirche angegriffen, wie das traurige Thema des Missbrauchs zur Aufheizung einer Pogromstimmung gegen ihre führenden Vertreter missbraucht wird.
Als Bischof, Christ und Bürger dieses Landes bitte ich die deutschen Medien und die Öffentlichkeit dieses Landes: Lassen sie uns mit gesundem Menschenverstand und im Geist der Ökumene und Brüderlichkeit kirchliche Themen diskutieren, ohne die Würdenträger der Kirche zu zerfleischen und den Ruf der Kirche nachhaltig zu beschädigen!
Die katholischen Christen bitte ich, standhaft in ihrer Kirche zu bleiben. Erinnern wir uns, dass wir nicht wegen ihrer Obrigkeit, sondern allein um Christus willen in der Kirche sind. Er hat uns versprochen, dass auch die Mächte der Unterwelt Seine Kirche nicht überwältigen werden. Jenseits aller Irrungen und Wirren unserer Zeit ist und bleibt Er, der Gründer und Herr der Kirche, allein der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Höxter, den 25. Januar 2022
Fest der Bekehrung des hl. Paulus
Bischof Damian