Wort des Tages – Der Herr rettet vor dem Rachen des Löwen!
Die Löwen kommen!
Beim Hören der Tageslesungen in der Heiligen Messe kommt es mir manchmal vor, als ob die Schriftstellen jetzt und genau für die jetzige Situation geschrieben wären, so aktuell scheinen sie. Die Lesung des heutigen Tages mit dem Bericht von Daniel in der Löwengrube (Dan 5,1-6.13-14.16-17.23-28) erinnert mich an ein Buch, das 2016 erschienen ist unter dem Titel „Die Löwen kommen“! Der Autor Vladimir Palko (1957 geb.), der von 2002 – 2006 slowakischer Innenminister war und 2008 Vorsitzender der Konservativ-Demokratischen Partei der Slowakei wurde, beschreibt darin ganz brennende Fragen wie z. B. die Frage, wie sich die kommunistische Ideologie im Westen verändert, seit sie im Osten begraben wurde, er beleuchtet dramatische Entwicklungen innerhalb der Katholischen Kirche und stellt sich die Frage, wie eine Weltregierung aussehen würde, falls sie kommt! Jetzt, unter dem Eindruck gegenwärtiger Entwicklungen, scheint das Buch noch interessanter zu sein.
Daniel in der Löwengrube
In der heutigen Schriftlesung aus dem Buch Daniel (Dan 6,12-28) wird berichtet, wie Daniel von Beamten beim König denunziert wurde, weil er, entgegen dem Gesetz von König Darius, zu seinem Gott betete und flehte und daher gemäß Gesetz in die Löwengrube geworfen werden müsse.
Der König hat Daniel offenbar sehr geschätzt und auch gespürt, dass dieser ein Mann Gottes ist. Er hatte nicht die Kraft, sein eigenes Gesetz aufzuheben und dachte nach, wie er Daniel retten könne und bemühte sich, ihn freizukommen. Als ihm dies nicht gelang, wurde Daniel in die Löwengrube geworfen. König Darius sagte ihm zuvor: „Möge Dein Gott dich (….) erretten.“ Der Herrscher konnte keinen Schlaf finden und fastete diese Nacht.
Und was geschah? Das Gebet Daniels und das Fasten des Königs zeigten ihre Wirkung. Als der König sich in der Früh der Löwengrube näherte und nach Daniel rief, antwortete ihm Dieser: „O König, mögest du ewig leben. Mein Gott hat seinen Engel gesandt und den Rachen des Löwen verschlossen. Sie taten mir nichts zuleide; denn in seinen Augen war ich schuldlos, und auch dir gegenüber, König, bin ich ohne Schuld!“
Die Löwen sind da
Ehrlich gesagt: Bei dieser Stelle in der heutigen Messe ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Ist das nicht – bildlich gesprochen – die heutige Situation! Fühlen sich heute nicht viele Leute wie in einer Löwengrube, oder ist sogar die ganze Welt mit Teilen der Kirche eine Löwengrube geworden?
Viele Menschen werden heute wie von geistigen Löwen zermalmt. Sie werden denunziert, zermürbt, in Angst versetzt, zynisch mit Nachteilen bedroht, wenn sie nicht tun, was man erwartet, sie werden zu Unrecht als Sündenböcke gebrandmarkt oder bestraft. Gegenwärtig hat man den Eindruck, dass die Demokratie, der Rechtsstaat und das Menschsein überhaupt (das Ebenbild Gottes im Menschen) zermalmt werden! Es geht um sehr viel mehr als bloß um die Gesundheit, die zweifellos sehr wichtig ist.
Ich denke dabei an die Worte des heiligen Petrus, der schreibt: Seid nüchtern und wachsam! euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen kann. Leistet ihm Widerstand in der Kraft des Glaubens (1 Petr. 5,8). Der brüllende Löwe ist wohl auch ein Symbol für Angstmache, für die gigantische Macht lärmender Propaganda, die die Gewissen der Menschen zu zermalmen droht.
Daniel erinnert mich an viele Beter, Leidende und auch standhaltende Menschen, die jetzt zu Gott um Hilfe schreiten, die ihr ganzes Vertrauen jetzt auf den Herrn setzen.
Kaiser Darius erinnert mich an viele Fernstehende und auch an Atheisten, die ich in letzter Zeit kennenlernen durfte. Sie erkennen das Unrecht mancher Gesetze, sie spüren den geistlichen Kampf und setzten sich oft in bewundernswerter Weise für Gerechtigkeit und Wahrheit ein. Sie handeln nach ihrem Gewissen und zeigen damit, dass ihnen das Gesetz ins Herz geschrieben ist, wie Paulus über die Heiden schreibt (Röm 2, 14f).
Geradezu ernüchternd und erschreckend ist der Schlussteil der Lesung. Jene, die Daniel denunziert und gemäß dem ungerechten Gesetz in die Löwengrube gebracht haben, werden jetzt selbst in diese hineingeworfen und sofort zerfleischt, mit ihrem ganzen Anhang.
Das könnte bedeuten: Wer andere den Löwen vorwirft, wer mit den Löwen kooperiert (dazu genügt auch schuldhaftes Schweigen oder blinde Pflichterfüllung), wird am Ende Opfer genau dieser Löwen werden. Wer anderen eine Grube gräbt, …!
Der Herr rettet uns!
Die Heilige Schrift gibt uns durch diese Stelle ganz klare Hinweise, was jetzt in dieser Situation wichtig ist.
Das Gebet, das Fasten und eben das Handeln nach dem Gewissen. Bei der gegenwärtigen Situation braucht man sich kein besonderes Fastenopfer ausdenken. Vielleicht ist es sogar viel ergiebiger, die konkrete Situation mit den Schwierigkeiten, Einschränkungen usw. in Liebe anzunehmen. Das beste Rezept gegen Resignation, Mutlosigkeit oder Verzweiflung ist, andere Menschen zu bestärken, zu ermuntern und aufzubauen, oder einfach zuzuhören, Aggressionen in Liebe ertragen etc. Zum Handeln nach dem Gewissen gehört auch die Liebe zur Wahrheit und die aufrichtige Suche danach. Dazu kann uns auch das Gebet helfen.
Wer betet, in Liebe verzichtet und Situationen annimmt, nach dem Gewissen handelt und sich nicht mitschuldig macht, kann darauf vertrauen, dass Gott wie damals bei Daniel, seinen Engel schickt, der uns beschützt und den Rachen der Löwen verschließt. Die Rettung kommt vom Herrn!
Dieser Schutz kommt am schönsten zum Ausdruck im Psalm 91. Ich empfehle Euch, diesen täglich zu beten. Dort heißt es u. a. „Wer im Schutz des Höchsten wohnt, und ruht im Schatten des Allmächtigen, der sagt zum Herrn: „Du bist für mich Zuflucht und Burg, mein Gott, dem ich vertraue (…) Er beschirmt dich mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen findest zu Zuflucht (…) Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen (…) Du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf Löwen und Drachen.“
Im Gebet verbunden,
euer Dekan Ignaz Steinwender