Das Bessere erwählen

Das Bessere erwählen

Am 29. Juli war der Gedenktag der Heiligen Martha. Jesus ist oft bei Martha, ihrer Schwester Maria und ihrem Bruder Lazarus eingekehrt.

Wie der Evangelist Lukas berichtet, kam Jesus einmal zu Besuch und wurde von Martha freundlich aufgenommen. Martha sorgt für Jesus, während ihre Schwester Maria sich dem Herrn zu Füßen setzte und seinen Worten zuhörte. Als sich Martha bei Jesus darüber beschwerte, weil Maria ihr die ganze Arbeit überließ, sagte Jesus die bedeutsamen Worte. „Martha, Martha, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt.“

Wir leben in einer Zeit, wo viel geschieht, viele Aktionen werden gestartet, vieles wird initiiert. Wir neigen dazu, Menschen vorwiegend nach dem zu beurteilen, was sie haben oder vor allem was sie alles tun. Zugleich erlebten wir in der letzten Zeit, dass sehr viele Aktivitäten einfach eingestellt, verboten oder beschränkt wurden. Viele haben mit Sorgen und Mühen zu kämpfen.

Gerade in dieser Zeit sollten wir uns fragen: Was sagt uns Maria, die dem Herrn zu Füßen liegt? Was sagt sie uns über die Bedeutung des Seins und das Verhältnis zum Handeln?

Zunächst eines: Wir sollten mehr auf das schauen, was jemand IST. Das Sein kommt vor dem Tun. Aus dem Sein folgt das Tun, sagen die Philosophen. Und wir sollen selbst versuchen, mehr zu sein, d. h. die eigene Identität zu finden, wirklich authentisch zu sein, in sich ruhend, innere Klarheit zu haben.

Es ist ganz etwas Wohltuendes, wenn man Menschen begegnet, wo man spürt: Dieser Mensch ruht in sich, er hat eine Mitte, ein weiß, wohin er geht, er ist im wahrsten Sinne des Wortes.

Wenn ein Christ erkennt, wer er ist, nämlich ein Gesalbter, irgendwie sogar ein Stellvertreter Christi, einer, der aus der Welt erwählt wurde um als Christ zu leben, dann ist es etwas ganz Großes. Das Sein wirkt sich dann auch auf das Handeln. Während manche Menschen mit einem Aktivismus die innere Unruhe verdecken oder irgendwie vor sich selbst fliehen, kann der innerliche Mensch aus der Tiefe heraus handeln, überlegt, zielstrebig, frei.

Wenn das Sein zuerst kommt, dann sind wir im Werden, dann haben wir immer klarer das Größere vor Augen, das wozu Gott uns berufen hat.

Als wir vor sechs Jahren darangingen, eine ewige Anbetung einzurichten, da sagte ich einer Jugendlichen: Wenn es knapp wird, dann muss ich einige Stunden mehr übernehmen, damit es sich ausgeht. Da hat sie mir gesagt: “Sie müssen nicht, Sie dürfen mehrere Stunden übernehmen.”

Diesen Satz habe ich mir für immer gemerkt. Ich darf anbeten, ich darf öfters anbeten. Wir dürfen so wie Maria beim Herrn verweilen. Wir dürfen einfach bei ihm sein. Das ist das bessere Teil.

Wenn jemand anbetet, dann verweilt er wie Maria bei Jesus, dann ist er bei IHM, vor IHM, mit IHM, dann ist er am meisten er selbst. Bei ihm sein bedeutet, dass unser Christsein aufgebaut wird, das ist eigentlich höchste Aktivität. Je mehr wir bei IHM sind, je mehr wir “wir selber” werden, desto mehr werden auch unser Handeln und unsere Arbeit ein Gottesdienst. Wir können es aus Liebe zum Herrn tun, wir haben eine tiefere Motivation und können in jeder Tätigkeit Erfüllung finden.

Jedes Mal, wenn ich die Stelle von Martha und Maria lese, denke ich daran, welch ein großer Segen es ist, dass bei uns zu jeder Tages- und Nachtstunde jemand bei IHM in der ewigen Anbetung verweilt, immer jemand, der das bessere Teil erwählt hat. Es ist ein Geschenk der Gnade, dass wir anbeten dürfen. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Menschen regemäßig „das Bessere“ erwählen können.