Wort des Tages – Der Sabbat ist für den Menschen da
Der Sabbat ist für den Menschen da
Gedanken zum heutigen Evangelium (19. 1. 2020)
Im heutigen Evangelium hörten wir die Stelle, wo die Pharisäer Anstoß daran nehmen, dass die Jünger Jesu am Sabbat im Kornfeld Ähren abrissen. Jesus verweist dann auf David, der mit seinen Begleitern im Haus Gottes die den Priestern vorbehaltenen heiligen Brote gegessen hatte und sagte das bedeutsame Wort: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Sabbat für den Menschen.“ (Mk2,27)
Für uns heißt das: Der Sonntag ist für den Menschen, das heißt für uns da. Das meint zuerst: Die Sonntagspflicht ist für den Menschen da. Der Sonntag ist ein Geschenk Gottes. Wenn wir am Sonntag Gott die Ehre geben, dann dient es zu unserem Heil, dann hilft es uns, mehr Mensch zu werden. Wenn man am Sonntag aus dem Alltag heraustritt, aus dem Getriebe, aus den Pflichten, aus gewissen Anspannungen, dann kann man aufblicken zu Gott und empfänglich werden für seine Gaben. Das kann uns auch helfen, in den Alltag der Woche Licht zu bringen.
Der Sonntag wurde im Alten Testament als der siebte Schöpfungstag gefeiert. Im Neuen Testament kommt eine noch tiefere Bedeutung dazu. Er ist der Tag der Erlösung, der erste Tag der Woche, der Tag, an dem Christus von den Toten auferstanden ist. Im Schöpfungsbericht heißt es: Am siebten Tag ruhte Gott. Zuvor heißt es: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte. Es war sehr gut.“ (Gen 1,31)
In diesen Aussagen liegt auch ein tieferer Grund für die Sonntagsruhe, für den Sinn der Muße. Der Mensch muss sich Zeit nehmen, auf das zu blicken, was er gemacht hat. Dieser ruhende Blick fördert im Menschen die Dankbarkeit für das, was ihm gelungen ist, für die Fähigkeit und die Möglichkeit zur Arbeit, sie weckt im Menschen auch die Freude darüber. Die Freude inspiriert wieder zur Arbeit im tieferen christlichen Sinne.
Wenn es keinen Sonntag gibt, wenn es pausenlos durchgeht, verliert der Mensch den Blick auf das, was er tut und auf das, was er ist. Er wird unfrei, er taucht im Getriebe unter, er versteht sich selbst immer weniger. Ohne Sonntag verliert der Mensch auch die tiefere Sicht für seine Arbeit als Mitarbeiter am Schöpfungswerk. Sie wird entweder zum Götzen (es gibt nur mehr die Arbeit, alles dreht sich um die Arbeit) oder er empfindet die Arbeit nur mehr als Mühe, als Last und Einschränkung.
In letzter Zeit haben viele Menschen die Arbeit verloren. Viele dürfen gegenwärtig nicht arbeiten wie z. B. der Großteil der Menschen in der Tourismusbrache. Dies ist ein großes Leid, das sich durch den verlängerten Lockdown dramatisch verschärfen wird. Es hat eine ganz große Dramatik, wenn viele jetzt zusehen müssen, wie das, was sie in Jahrzehnten unter vielen Opfern aufgebaut haben, grob fahrlässig aufs Spiel gesetzt wird, es sind atemberaubende Vorgänge. Das, was sich jetzt abspielt, ist nicht gottgewollt! Es ist von Menschen selbst gemacht! Es gibt verschiedene Motive, die da sind oder vorgegeben werden, manche werden es auch gut meinen. Darauf möchte ich jetzt nicht eingehen. Aber wir erleben eine systematische Selbstzerstörung die auf drei Grundlagen beruht: Jemand ist da, der dies alles anordnet, ein Heer von Mitarbeitern (Mitläufern, „gewissenhaften“ Ausführern von Befehlen und Profiteuren) auf allen Ebenen führt es kritiklos und manchmal noch „päpstlicher als der Papst“ durch und die Mehrheit der Menschen lässt sich das gefallen.
Der tiefere Grund dieser Vorgänge ist, dass viele Menschen Gott aus den Augen verloren haben und damit auch ihre Selbstachtung, man könnte auch sagen: Der gesunde, vom Glauben inspirierte Tiroler Stolz ist dahin. Wer die Freiheit der Kinder Gottes verliert, wird ein Sklave anderer Mächte.
Sicher werden jetzt manche sagen – und das hört man sehr oft, um die Unverhältnismäßigkeit von Maßnahmen zu verteidigen – was hättest denn du gemacht? Was würdest du machen? Auf diese Frage möchte ich in den nächsten Tagen eine Antwort versuchen. Es drängt mich auch, den vielen Arbeitslosen zu schreiben, an die ich sehr oft im Gebet denke.
Für heute möchte ich aber beim Thema bleiben. Der Sonntag ist für den Menschen da. Vieles, was heute geschieht, hängt damit zusammen, dass sehr viele, ja eigentlich sogar die meisten dieses Geschenk Gottes, den Sonntag, aus den Augen verloren und nicht mehr annehmen.
Die Folgen des Lockdowns könnten Inflation, Massenarbeitslosigkeit, soziale Spannungen und eine Versorgungskrise sein, die alle anderen Gefahren und Schäden um ein Vielfaches übertreffen würden. Dies ist durch die bereits gelaufenen Maßnahmen schon vorgezeichnet. Trotzdem: Vieles, was in Zukunft kommen oder nicht kommen wird oder in welchem Umfang dies sein wird, oder wie wir das bewältigen können, wird auch davon abhängen, ob viele Menschen den Sonntag wiedergewinnen. Ihn wiederzuentdecken, kann schon jetzt unmittelbar Einzelnen helfen, die Situation besser zu bewältigen und zu einer tieferen Lebenssicht zu kommen. Jeder, der hier Stütze, Halt und tieferen Lebenssinn findet, ist auch für seine Umgebung Stütze, Halt und Orientierung. Den Sonntag wiederzuentdecken wird mit Sicherheit helfen, den Lebenssinn zu entdecken, das rechte Maß für die zeitlichen Angelegenheiten und Wege aus der Krise zu finden. Gerade dann, wenn man am Sonntag zuerst Gott die Ehre gibt, dann wird einem vieles, wenn nicht alles andere dazugegeben.
In Zeiten wie diesen die Messen oder die Zahl der Gläubigen zu reduzieren, entspricht sicher nicht dem Willen Gottes, es ist nicht vernünftig und dient mit Sicherheit nicht der Bekämpfung der Pandemie. Wenn z. B. in unserer Pfarrkirche mit 700 Sitzplätzen (800 Quadratmeter, 12000 Kubikmeter) 150 Leute da wären, dann wäre sicherlich keinerlei Ansteckungsgefahr vorhanden. Und wenn mehr Leute kommen, dann muss man eben die Zahl der Messen vergrößern und nicht die Teilnehmer reduzieren. Die Beschränkung auf zehn Personen ist eine willkürliche Verhinderung von Gnaden Gottes, eine amtlich verordnete Zurückweisung eines Geschenkes.
Mir fällt ein Vergleich mit der Feuerwehr ein. Es ist so, wie bei einem Großbrand, wo das Gelände weiträumig gesichert werden muss. Doch anstatt die Feuerwehr ihrer ersten Aufgabe, nämlich der Brandbekämpfung nachkommen zu lassen, wird gefordert, sie müsse auch einen Beitrag zur Absicherung des Geländes leisten, indem man die Anzahl der Feuerwehrmänner und das Wasser beschränkt. Die Kirche ist die Feuerwehr in geistlichen Dingen. In Krisen – und die Kirche hat eine zweitausendjährige Geschichte und Erfahrung damit, seien es nun Kriege, Wirtschaftskrisen oder Seuchen – braucht es immer mehr Gebet und mehr Gottesdienste. Wenn man wirklich glaubt, dass die Messe Gipfel und Quelle ist, dann bedeutet das doch, dass man die Menschen geistlich verdursten lässt. In unserer Pfarre würde die Beschränkung auf zehn Teilnehmer bedeuten, dass an Sonntagen mit drei Messen Gläubige, die sonst regelmäßig kommen, nur alle zehn Wochen eine Messe mitfeiern könnten.
Die Verlängerung des Lockdowns wäre eine Gelegenheit, die kirchlichen Regelungen zu adaptieren:
Was wäre wirklich Not-wendig und sinnvoll?
Aufrufe zu einem Gebetssturm und zur Umkehr!
Geistliche Reflexionen über Gesundheit, Krankheit, Sterben, den Tod und die „letzten Dinge“
Regelmäßige Beichtgelegenheiten in jeder Pfarre!!
Eintreten für die Würde der Alten (menschlichere Besuchsrechte), für die Kinder (Wiederaufnahme des Schulbetriebes), die Arbeitslosen und viele, die durch unverhältnismäßige Maßnahmen in ihrer Freiheit und anderen Rechten beschränkt werden.
Aufruf zur Sonntagsmesse und häufigen Teilnahme auch an den Werktagsmessen mit einer Sondererlaubnis, so viele Messe feiern zu dürfen, dass alle, die wollen unter Wahrung des gesetzlichen Mindestabstandes mitfeiern können.
Dies wäre ein wahrhaft segenbringender Beitrag der Kirche zur gegenwärtigen Krise!
Ich lade Euch ein, am Sonntag zur Heiligen Messe zu kommen. Der Sonntag ist für Euch da! Ich lade Euch ein, das Sakrament der Buße zu empfangen, und zwar jederzeit!
Euer Dekan
Ignaz Steinwender