Wort des Tages – Gebet-Gespräch mit Gott
Gestern erzählte mir jemand von einer Frau, die sagte: „Der Pfarrer hat gepredigt, dass man, wenn man betet, nicht infiziert werden kann, der denkt wie im Mittelalter!“ Ich kenne keinen Pfarrer, der so etwas meinen, sagen oder denken würde. Natürlich hat man auch im Mittelalter nicht so gedacht. Aber vielleicht ist diese Aussage ein Anlass, über ein besonderes christliches Kennzeichen des Advents nachzudenken, nämlich über das Gebet.
Der Advent ist eine Zeit der Stille. Ähnlich wie in der Fastenzeit sollen die Leute in dieser Zeit besonders umkehren, beten und gute Werke tun.
Was also ist das Gebet?
Das Gebet im christlichen Sinne ist ein Gespräch mit Gott. Der Christ wendet sich an Gott. Er spricht mit ihm. Er dankt ihm, er preist ihn, er hadert vielleicht mit ihm, er bittet ihn und trägt ihm Sorgen vor. Er teilt das, was ihm wichtig ist, mit Gott, einem realen Gegenüber. Es ist also ein Zwiegespräch mit dem realen, aber unsichtbaren Gegenüber.
Es gibt im Zillertal viele sogenannte „Anheber“, die manchmal auch mit Magie arbeiten. Einige verwenden z. B. eine Geheimformel oder sie sagen dem Patienten, du musst um diese Zeit das und das beten und/oder tun, dann wird das und das geschehen. Dies nennt man magisch, weil man irgendwie den lieben Gott spielt und schon vor dem Gespräch mit Gott zu wissen glaubt, was Gott dann tun wird. Diese Praxis ist sehr bedenklich und kann, auch wenn es manchmal scheinbare Erfolge gibt, zu seelischen Beeinträchtigungen führen.
Das Gebet ist immer sozusagen ergebnisoffen, weil es ja ein Zwiegespräch ist. Man kann nicht voraussagen, wie Gott auf das Gespräch reagieren wird. Man kann aber das tiefe Vertrauen haben, dass Gott einem das gibt, was gut ist, auch dann, wenn man es momentan nicht versteht. Kein einziges Gebet ist umsonst. Gott entscheidet, wann, wo und wie er ein Gebet erhört.
So ist es natürlich legitim, dass Menschen beten, dass sie gesund bleiben oder wenn sie krank sind, können sie dafür beten, dass sie gesund werden. Dabei sollen wir Christen immer einen größeren Blickwinkel haben. Wir sollen die Rangordnung der Werte beachten. Wir sollen zuvor um die seelische Gesundheit beten, also um das Heil der Seele. Und vor dem eigenen Heil sollen wir einfach Gott die Ehre geben, was an aller erster Stelle kommt. Wenn wir dies vor Augen haben, dann sind Gesundheit oder Krankheit zwei Möglichkeiten, Gott näher zu kommen. Wenn ein gesunder Mensch dankbar ist und Gott dafür lobt, dann ist es gut für sein Seelenheil. Wenn er undankbar ist und Gott beiseite lässt, dann setzt er sein Heil aufs Spiel. Wenn ein Kranker seine Krankheit annimmt oder sein Leiden sogar bewusst mit dem Leiden Christi vereint, dann kann er geistlich unglaublich viel dadurch bewirken, innerlich zu einer großen Reife wachsen und für andere Menschen viele Früchte erwirken. Natürlich ist das alles einfacher gesagt, als getan. Jemand, der selbst kein schweres Leiden hatte, wird auch nicht einfach verstehen können, was Leid wirklich bedeutet.
Die Früchte des Gebetes
Das Gebet bringt viele allgemeine Früchte, umso mehr, je mehr ein Mensch sich wirklich auf die Schule des Gebetes einlässt. Hier einige Beispiele:
- Wer betet, ist nicht allein. Was wäre sinnvoller, nützlicher und gewinnbringender, als z. B. die Zeit der Quarantäne zum Gebet zu nützen?
- Das Gebet führt auf die Dauer zu einet tieferen Gottes- und Selbsterkenntnis. So wie in menschlichen Beziehungen, kann man sich auch in der Gottesbeziehung vertiefen und weiter vordringen.
- Das Gebet stärkt das Immunsystem. Diese Binsenweisheit wissen auch sehr viele Psychologen. Eigentlich müsste die Regierung in der Coronazeit ein vehementes Interesse daran haben, dass möglichst viele Leute beten. Die radikalen freiwilligen innerkirchlichen Selbstbeschränkungen zeugen davon, dass man nicht mehr auf viele Wirkungen des Gebetes vertraut. Sie sind wie ein Schuss in das eigene Knie!
- Das Gebet führt Menschen zusammen. Ich sage oft bei Eheseminaren: Eine Familie, die gemeinsam betet, ist unzertrennlich. Weil das Religiöse das Tiefste im Menschen ist, wird durch das gemeinsame Gebet eine Einheit am tiefsten Punkt der Seele geschaffen. Diese Einheit trägt alle anderen Verschiedenheiten, sodass diese sogar als Ergänzung erlebt werden können. Das Gebet eint und schützt vor Spaltung und Entzweiung. Auch dies wäre in der Coronazeit besonders zu beachten.
- Das Gebet schenkt Geborgenheit. Es führt mit der Zeit zu einer immer mehr auch persönlichen Gottesbeziehung und befreit daher von Ängsten aller Art.
- Das Gebet desinfiziert und schützt, aber nicht vor Viren, sondern vor geistigen Viren, es ist ein wirksamer Schutz vor negativen Einflüssen, bei Versuchungen etc.
- Das Gebet stärkt den Willen zum Guten, es ist wie ein Brennholz, das eine Flamme, hier die Flamme der Liebe, nährt.
Das Gebet im Advent
Advent heißt Ankunft. ER, der vor 2000 Jahren auf die Erde kam als Mensch, ER, der am Ende der Zeiten wiederkommen wird, kommt jetzt in unserer Zeit zu uns, in unser Herz, vor allem dann, wenn wir das Herz öffnen und wenn wir ihm durch unser Gebet den ersten Platz einräumen.
Für Christen ist das Gebet deshalb viel mehr als irgend eine Praxis oder eine Methode, weil es eben eine Gespräch mit einer Person ist. Im Advent sollen wir beten und auch beten lernen, im Gebetsleben wachsen.
Wenn jemand nicht beten kann, dann soll er einfach damit beginnen, mit einem Vater unser, mit persönlichen Worten oder am bestem mit dem Rosenkranz.
Wer beten will, der muss zuerst Hemmungen überwinden. Der Widersacher will nicht, dass wir beten. Er versucht, in uns Hemmungen zu schaffen oder aufrecht zu erhalten, eine falsche Scham, Feigheit, Stolz usw. Er gibt uns Vorurteile ein. Er will uns ablenken durch Geschäftigkeit usw.
Ein Grundsatz lautet: Beten lernt man so ähnlich wie Schwimmen, indem man es einfach tut. Viele Menschen fühlen sich durch Beschränkungen eingeengt. Durch das Gebet können sie in die Tiefe gehen, eine geistige Weite erlangen, eine neue, innere Freiheit erringen und so reich beschenkt werden.
Heute habe ich in einem Kommentar gelesen. In den Märchen gibt es immer zwei Möglichkeiten, reich zu werden, entweder einen Prinzen zu heiraten oder einen Schatz zu finden. Wer wirklich reich werden will, der braucht sich nur mit dem König des Weltalles selbst verbinden, mit Christus, dann kann er DEN Schatz, das ewige Leben finden – er kann dies vor allem durch das Gebet!
Ich lade Euch daher alle ein, euer Gebetsleben neu zu entfalten. Es gibt viel zu beten: Beten wir für das Land, beten wir für die Einheit in unserem Land, in der Kirche und in den Familien. Beten wir darum, dass wir erkennen, was Gott uns durch die Krise sagen will, beten wir um die innere Klarheit, was wir jetzt tun sollen und beten wir um die innere Stärke, das Wahre und Gute mit allen Kräften anzustreben und das Böse in Liebe zu ertragen.
Betet auch für mich!
Mit Euch im Gebet verbunden
Euer Pfarrer
Ignaz Steinwender