Wort des Tages – Musik und Gesang
Zu Ehren der heiligen Cäcilia
Gestern haben wir über das Christkönigsfest nachgedacht. Auf den gestrigen Tag (22. November) wäre auch das Fest der Heiligen Cäcilia gefallen. Wir konnten diesmal nicht die Heilige Messe gemeinsam feiern, auch nicht mit unserem Kirchenchor und mit der Bundesmusikkapelle Zell. Was immer selbstverständlich war, jedes Jahr ein bewegendes Fest, ist heuer, wie so vieles, ausgeblieben.
Heute haben wir eine Lesung aus der Johannesoffenbarung gehört, dem letzten Buch der Bibel, in dem Johannes seine Visionen teilweise auch in Bilder beschreibt. In der heutigen Lesung war die Rede von den 144.000, die bei dem Lamm auf dem Berg Zion standen. Und es heißt von ihnen „Und sie sangen ein neues Lied vor dem Thron und vor den vier Lebewesen und vor den Ältesten. Aber niemand konnte das Lied singen lernen außer den hundertvierundvierzigtausend, die freigekauft und von der Erde weggenommen worden sind“ (Offb 14,3).
Die heilige Cäcilia gilt als Patronin der Kirchenmusik, insbesondere auch der Organisten. Dieses Patronat geht darauf zurück, dass man von Cäcilia sagt, sie habe sich bei der Hochzeit, zu der sie gezwungen wurde, beim Klang der Musikinstrumente erneut ganz Christus, dem Bräutigam geweiht, was in der Folge durch die Einwilligung ihres Bräutigams auch möglich wurde. Der Zillertaler Kardinal Johannes Katschthaler war musikalisch sehr begabt und ein bedeutender Vertreter des Cäcilianismus, einer besonderen Kirchenmusikrichtung, die sich um die Pflege der Musik im Gottesdienst verdient machte.
Gesang und Musik können geistige Wirklichkeiten ausdrücken, sie können das Sagbare überschreiten, sie können sogar, wenn sie geistlicher Art sind, den Zugang zum übernatürlichen, himmlischen Bereich öffnen. So können Chor und Musik im Gottesdienst den Menschen helfen, das Herz zu erheben, um damit tiefer in das Mysterium, das gefeiert wird, einzudringen.
Als die Israeliten aus Ägypten auszogen und mit der Hilfe Gottes durch das rote Meer geschritten waren, da sang Mose mit den Israeliten dem Herrn ein Lied, beginnend mit den Worten begannen: „Ich singe dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben.“ (Ex 15,2). Es war ein besonderes Lied, ein neues Lied, ein Lied der Israeliten, die durch die Hand Gottes befreit worden sind. Dieses Lied war nun Ausdruck der befreiten Israeliten.
Jetzt in der Coronazeit hat man den Gesang verboten, auch in der Kirche. Es ist sogar irgendwie stimmig, es gibt viele Einschränkungen, auch religiöse Verbote, es gibt weniger Freiheiten, dazu gehört auch: Nicht mehr singen! So gesehen ist es stimmig, denn: Singen und Unfreiheit passt eh nicht zusammen. Jetzt dürfen wir nicht singen, und wenn wir länger so weitermachen, werden wir das Singen verlernen oder bald nicht mehr wollen. Dann wird Erhebendes aus der Welt verschwinden, die Freiheit der Kinder Gottes geht verloren und es wird nur mehr Lärm geben, mit Tendenz zum Höllenlärm.
Auch in der Schule darf nicht mehr gesungen werden, dies wäre ein schwerer Verstoß gegen die Coronavorschriften, gegen die Sicherheit vor dem Virus. Andererseits könnte man aber mutmaßen: Könnte es nicht vielleicht sein, dass ein kurzes, schönes Lied, ein Moment der Freude und der Fröhlichkeit mehr für die Sicherheit der Kinder (durch Stärkung des Immunsystems) tun könnte, als die überpenible Ausführung nicht immer leicht nachvollziehbarer Vorschriften? Ein Kapellmeister sagte mir unlängst sinngemäß: Momentan wird alles verboten, was die Menschen gerne tun, was sie zusammenführt, was sie auch erhebt und was ihnen Freude macht, eben auch die Musik. Genau diese Dinge sind aber meines Erachtens gut für das Immunsystem und schützen den Menschen.
Zurück zur Apokalypse: Die 144.000 sangen ein neues Lied. Niemand konnte es lernen. Die 144.000 sind diejenigen, die freigekauft und von der Erde weggenommen worden sind. So wie die Israeliten nach der Befreiung aus Ägypten ein neues Lied sagen, so singen die 144.000 nach der Befreiung vom Irdischen auch ein neues Lied. Im Himmel, wo absolute Freiheit herrscht, dort gibt es reine Musik, eben den himmlischen Lobgesang der Engel.
Papst Benedikt hat einmal Mahatma Gandhi zitiert, der auf die drei Lebensräume im Kosmos mit ihrer je eigenen Seinsweise hingewiesen hat: Im Meer leben die Fische und sie schweigen, die Tiere leben auf der Erde und schreien, die Vögel aber, deren Lebensraum der Himmel ist, sie singen. Der Mensch aber hat Anteil an allen drei Dingen, der Tiefe des Meeres, der Last der Erde und der Höhe des Himmels mit den drei Eigenschaften: dem Schweigen, dem Schreien und dem Singen. Papst Benedikt fügt dann hinzu, dass dem transzendenzlosen Menschen, wenn er nur Erde sein will und den Himmel und das Meer zur Erde machen will, nur mehr der Lärm bleibt. Er schreibt dann von der rechten Liturgie – er meint die himmlische Liturgie der Gemeinschaft der Heiligen – die dem Menschen wieder seine Ganzheit zurückgibt. Er schreibt von ihr: „Sie lehrt den Menschen wieder das Schweigen und das Singen, indem sie ihm die Tiefe des Meeres auftut und indem sie ihn fliegen lehrt, das Sein des Engels; im Aufheben des Herzens bringt sie in ihm das verschüttete Lied wieder zum Klingen.“
Meine Oma pflegte oft zu sagen: „Wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen kennen keine Lieder!“
Die Heilige Cäcilia lehrt uns ein Doppeltes.
Erstens: Singen ist gut für den Menschen; schöner, geistlicher Gesang erhebt den Menschen, macht ihn frei und stärkt das Immunsystem.
Zweitens: Die Ganzhingabe an Gott und die Menschen macht den Menschen ganz frei, sie führt zum Neuen Leben, das heißt sie gibt echte Immunität, sogar gegen den Tod.
Und nicht umsonst heißt es: Wer singt, betet doppelt.
In diesem Sinne lade ich euch ein, auch zuhause öfter zu singen.
Euer Pfarrer
Ignaz Steinwender