Wort des Tages – Der gute Hirte
Der Hirt und die Maske
Heute ist der vierte Sonntag der Osterzeit. Es ist der Sonntag des guten Hirten.
Heute denke ich darüber nach, wie es weitergehen wird. Es wurde angekündigt, dass es ab dem 15. Mai Änderungen bzw. Erleichterungen der kirchlicherseits selbstauferlegten Beschränkungen geben wird. Ich habe noch nicht konkret überlegt, wie es dann sein wird.
Erstens möchte ich mit den Pfarrgemeinderäten darüber beraten, aber erst dann, wenn seitens der Diözese gewisse Verlautbarungen ergangen sein werden. Ich habe mich in der Zwischenzeit bemüht, in Gesprächen und Mails mit Bischöfen darauf hin zu wirken, dass die Regelungen so gemacht werden, dass es möglich wird, dass einerseits alle Gläubigen, die die Sonntagsmesse schätzen, auch wirklich gehen können und dass dies ohne Behinderung bzw. unnötige Einschränkungen geschieht.
Gute und vernünftige Lösungen sind auch wichtig, weil der Eindruck entstand, die Gottesdienste sind so ziemlich das Nebensächlichste, da kommt zuerst der Friseur, dann die Bauermärkte etc…..
Das Licht der Kirche, die Wirkkraft der Sakramente wurde und wird unzulässig unter den Scheffel gestellt. Gerade das Gebet und die Sakramente haben – sozusagen als positiver Nebeneffekt – bedeutsame problemlösende Faktoren. Während ich diese Zeilen schreibe, kommt gerade ein Mail mit den neuen Richtlinien. Ich entschließe mich, sie vor dem Schlafengehen nicht mehr anzusehen.
Das Phänomen der Maske
Ein interessantes Phänomen ist die Maske, die viele jetzt tragen. In manchen Situationen ist es wichtig. Trotzdem habe ich manchmal ein komisches Gefühl, wenn ich jemandem mit Maske begegne. Einerseits gibt es ja das Vermummungsverbot bei Demonstrationen, weil ein Mensch seine Identität nicht verstecken soll. Manchmal denke ich mir, die Menschen sollen jetzt Masken tragen, damit sie auch das Gesicht verlieren, so wie es viele führende Persönlichkeiten in dieser Krise getan haben.
Eine Maske tragen kann auch heißen, man versteckt sich. Es kann manchmal sogar etwas Unheimliches an sich haben, jemand führt zB etwas im Schilde.
Oder könnte man sagen: Das generelle Maskentragen prägt eine Gesellschaft. Sie bekommt ein anderes Gesicht. Es findet eine Entpersönlichung statt, eine Nivellierung, ein sich selbst Verschließen vor dem Anderen. Es ist etwas sehr Eigenartiges. Es entsteht eine anonyme Masse.
Wenn mir ein Maskierter begegnet, dann könnte sich das Gefühl einschleichen: Da ist jemand, der sich fürchtet, der fürchtet sich vor mir. Das mindert den Wert der Begegnung, es kann einem die Unbefangenheit, die Spontaneität, die Herzlichkeit nehmen, es nimmt dem Menschen etwas, das für das Menschensein wesentlich ist. Ich fühle das, obwohl ich weiß, dass die Maske an sich für einen guten Zweck getragen wird. Ich fühle das, obwohl ich mit jedem, der Angst hat, mitleide. Aber ich denke mir: Vielleicht kann uns da der gute Hirte helfen.
Der gute Hirt
Stellt euch einmal das Bild einer Herde und eines Hirten vor, wobei alle eine Maske tragen. Es wäre kein Bild von Hirte und Herde mehr. Der gute Hirt symbolisiert das Gegenteil von dem, was eine Maske ausdrückt. Die persönliche Beziehung, das Vertrautsein, das Sich-Kennen. Der gute Hirt kennt die Seinen, und sie kennen ihn. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Dadurch entsteht die höchstmögliche Vertrautheit. In dieser Vertrautheit gibt es keine Angst mehr, kein Verstecken, kein Untertauchen in der Masse. Man kann sein wie man ist. Man ist geborgen.
Seit Jesus Mensch geworden ist, hat Gott uns sein Gesicht gezeigt. Was das Christentum einmalig macht, ist, dass der Gläubige Gott als Person kennt, anbetet, von der Person Gottes geliebt wird und ihm eben persönlich gegenübertritt. Das macht den Christen froh und frei. In mehreren Psalmen ist schon die Bitte formuliert: „Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten.“ In Psalm 51,13 heißt es: „Verwirf mich nicht von deinem Angesicht ….“ In Psalm 100,2 spricht der Beter: „Kommt vor sein Antlitz mit Jubel.“
Der Apostel Paulus beschreibt den Himmel mit den Worten „… dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.“ Wenn der Mensch stirbt, dann tritt er vor das Angesicht Gottes.
Ein wahrer Gottesdienst ist auch schon ein ganz bewusstes Hintreten vor den Herrn, eine Vorstufe des Himmels, die Anbetung des Allerheiligsten ist ein Verweilen vor IHM. Beim Sanctus vereint sich der Gläubige mit den Engeln und Heiligen und tritt mit diesen vor das Angesicht Gottes. Mit aufgesetzter Maske ein Sanctus zu beten oder zu singen wäre so ähnlich, wie wenn jemand mit angezogener Handbremse Vollgas geben würde.
Jetzt sage ich etwas ganz „Ketzerisches“. Wenn ihr im Gottesdienst keine Maske aufsetzt, dann ist es kein Verstoß gegen die Nächstenliebe. Der gute Hirt schützt Euch. Betet jeden Tag den Psalm 23 (Der Herr ist mein Hirte, …) dann werdet ihr bald spüren, was es heißt, tatsächlich im Schatten des Allmächtigen zu ruhen.
Euer „hoffentlich guter“ Hirte
Ignaz Steinwender