Wort des Tages – Karfreitag
Liebe Gläubige! Liebe Angehörige Verstorbener! Liebe Leser der Pfarrhomepage!
Was sich derzeit öffentlich abspielt, ist einmalig in der Menschheitsgeschichte. Man könnte es mit einem Satz ausdrücken. Die ganze Welt liegt im Todeskampf, sie stirbt, weil sie gegen das Sterben, gegen den Tod ankämpft! Und wir Getaufte tun das Gegenteil, wir feiern den Tod Christi am Kreuz, durch den ein neues Leben ermöglicht wurde.
An diesem heiligen Tag denken wir auch besonders daran, dass in jüngster Zeit in unserer Pfarre viele Menschen von Gott abberufen wurden, dreizehn Menschen aus unserer Pfarre sind seit Mitte Februar verstorben. Ein Vergleich mit Coronatoten ist zumindest bedenkenswert. In Italien, dem von Corona am meisten betroffenen Land, sind bis 8. April 17669 Menschen an Corona gestorben, das wären auf die Einwohner der Pfarre Zell umgerechnet, 1,5 Todesfälle, in der Lombardei, dem Hauptcoronagebiet Italiens, starben bis 8. April lt. Zeitungsmeldung 9.722 Personen an Corona, das wären umgerechnet fünf Tote in der Pfarre Zell am Ziller.
Am heutigen Tag wollen wir mit dem Blick auf unseren Herrn besonders für unsere lieben Verstorbenen beten und uns auch mit den Angehörigen im Gebet verbinden. Der Tod ist immer ein dramatischer Einschnitt, ein Bruch, er erinnert uns an die Vergänglichkeit dieses Lebens und lässt uns mehr über das Leben selbst nachdenken. Jesus selbst hat über den Tod des Lazarus geweint. Der Karfreitag lenkt unseren Blick wieder neu auf Sterben und Tod.
Im Theologiestudium hat ein Philosophieprofessor einmal gesagt: Ich wünsche euch, dass ihr einmal die Gelegenheit habt, beim Sterben eines Menschen dabei sein zu können. Das ist etwas Einmaliges und wichtig für euer Leben. Das Sterben eines Menschen ist etwas höchst Intimes und Geheimnisvolles, vielleicht sogar etwas Mystisches. Als Pfarrer habe ich das Privileg, regelmäßig bei Sterbenden zu sein und mit Sterbenden vertraut zu sein. Wer den Tod und das Sterben verdrängt, der verdrängt auch das Leben, der lebt am Leben vorbei!
Als Johannes Paul II. im Sterben lag und Millionen Menschen an seinem Leiden Anteil nahmen, gab es viele Stimmen – auch aus Theologenkreisen – die sagten: “Der Papst soll doch zurücktreten, es ist nicht zumutbar, öffentlich zu leiden.” Der Journalist Günther Nenning schrieb dazu in der Krone sinngemäß: “Es ist doch selbstverständlich, dass der Stellvertreter Christi wie sein Meister stirbt, nämlich öffentlich”.
Jesus ist öffentlich gestorben. Er hat gesagt: “Wenn ich erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen”. Der Karfreitag ist der Tag, an dem ER uns an sich zieht. Jesus hatte einen Todeskampf, er kämpfte aber nicht gegen das Sterben, sondern er nahm das Sterben und den Tod aus Liebe auf sich. Dieser Kampf der Liebe führte zum Sieg über den Tod und über die Sünde, die die tiefere Ursache des Todes ist.
Das Leiden Christi ist ein Ausdruck der größtmöglichen Liebe, der Ganzhingabe, die anziehend ist, mit der ER uns an sich ziehen möchte.
Der Herr zeigt uns damit den Weg zum christlichen Sterben. Wenn wir seine Liebe annehmen, dann wird Er uns helfen, einmal im Blick auf die Auferstehung, würdig und in Frieden zu sterben, den leiblichen Tod wie Franziskus als Bruder anzunehmen. Betrachtet man den momentanen Kampf gegen das Virus, so entsteht dabei manchmal der Anschein, als ginge es in Wirklichkeit um einen Kampf gegen den Tod und gegen das Sterben an sich.
Das Verbot der heiligen Feiern zu Ostern ist zwar eine kirchengeschichtlich einmalige Einschränkung der Religionsfreiheit, die einen vollkommenen Gegensatz zur österlichen Botschaft darstellt, aber wir können den Schmerz darüber heute am Karfreitag Gott schenken, und gerade jetzt über den vergeblichen menschlichen Versuchen, den Tod zu verhindern oder das Sterben zu verlängern, die Osterbotschaft- dass der Tod nicht das Ende ist – aufleuchten lassen.
Was sollen wir Christen jetzt tun?
Der Karfreitag gibt uns die Antwort. Wir sollen auf den blicken, den sie durchbohrt haben. Auf den Gekreuzigten blicken heißt, dem Tod, auch dem eigenen Tod ins Auge zu sehen. Auf IHN blicken heißt, die Liebe Gottes zu erkennen, sich im eigenen Herzen von diesem Feuer der göttlichen Liebe entzünden zu lassen. Der Psalmist sagt: „Unsre Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz“ (Ps 90,12). Wenn wir mit dem Tod rechnen, schenkt uns Gott die Weisheit, die uns fähig macht, das wahre Leben zu erkennen und allem Vergänglichen vorzuziehen. Christen sollen mit dem Sterben rechnen, in der Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten.
Christen sollen für die Gesundheit eintreten, aber im Wissen darum, dass sie ein vergängliches Gut ist, sie sollen das Leid anderer mindern helfen, für die Leidenden beten und Menschen im Leiden beistehen. Und: Christen sollen nicht versuchen, möglichst etwas vom Leben zu haben, sondern viel, viel mehr! Sie sollen das Leben selbst ergreifen! Das Leben in Christus, der über Sünde und Tod gesiegt hat.
Ich möchte euch besonders einladen, heute und morgen zu fasten, zu beten, das Heiligen Grab in der Pfarrkirche aufzusuchen, um euch mit den Verstorbenen zu vereinen, beim Kerker in der Pfarrkirche zu verweilten, um euch mit den Leidenden zu verbinden und das Allerheiligste im Jungscharraum einzeln zu besuchen.
Wenn wir die Kartage so gestalten, dann können wir Ostern, wenn auch in der Religionsfreiheit eingeschränkt, so feiern, dass wir wirklich teilhaben an Seinem Sieg über Sünde und Tod!
Mit Euch verbunden
Ignaz Steinwender