Wort des Tages – Hoffnung
Gegenwärtig gibt es vermehrt das Phänomen der Angst und auch das Phänomen der Angstmache. Menschen haben Angst vor der Zukunft, vor einem Verlust, vor Gefahren, vor Krankheit und Tod. Manche wissen nicht, wie es weitergeht. In dieser Situation stellt sich die Frage: Was hilft uns, die Angst zu überwinden? Eine wichtige Eigenschaft, wir könnten auch sagen eine Tugend oder eine Gnadengabe ist die Hoffnung. Wer Hoffnung hat, überwindet die Angst, wer eine Hoffnung hat, der kann auch anderen Menschen Zuversicht geben.
Der Maler der Zeller Pfarrkirche hat oberhalb des Marienaltares die drei göttlichen Tugenden gemalt. 1. Der Glaube, der dem Menschen ein klares Ziel gibt, Gott, den Himmel, die ewige Vollendung. 2. Die Hoffnung, die den Menschen nach diesem Ziel streben lässt. Und 3. Die Liebe, die uns mit Gott vereinigt. Die Hoffnung wird mit einem Anker dargestellt. Sie ist ein Rettungsanker, sie verwurzelt den Menschen in Gott, im eigentlichen Sein, in dem Fundament, das allein wirklich trägt.
Was ist eigentlich die Hoffnung? Es gibt die Hoffnung im menschlichen Sinne und dann die göttliche Tugend der Hoffnung. Wir Menschen können uns gegenseitig Hoffnungen machen, Erwartungen begründen, Vertrauen erwecken. Wir können füreinander zu Hoffnungsträgern werden. Heute hat die Bundesregierung z. B. Erleichterungen der Einschränkungen verkündet, damit hat sie vielen Menschen Hoffnung gemacht, dass die Krise überwunden werden kann. Es ist wichtig und gut, dass wir menschliche Hoffnungen haben, um uns Tag für Tag auf dem Weg zu halten. Aber sie reichen nicht aus ohne die große Hoffnung, die alles andere überschreiten muss. Diese Hoffnung kann nur Gott sein.
Diese Hoffnung auf Gott nennen wir eine göttliche Tugend, eine innere Haltung. Der Hoffende hat Gott vor sich, den er im Glauben erkennt. Er erwartet von Gott die letzte Erfüllung. Alle menschlichen Erfüllungen kann man als Vorgeschmack betrachten. So ist der Hoffende nach vorne ausgerichtet, er erwartet das Größere und strebt mit seinem Willen danach. Er strebt nach einer Beziehung zu Gott mit dem er sich durch die Liebe vereinigen möchte. Der Christ hat eine Hoffnung, die alles Irdische übersteigt und über dieses Leben hinausgeht. Deshalb kann der Christ die Dinge von einer höheren Warte aus betrachten. Er kann sogar in den äußersten menschlichen Niederlagen standhalten, weil er eben die Hoffnung auf Gott hat, nicht auf irgendeinen Gott, sondern auf den Gott, der ein menschliches Angesicht hat und der uns geliebt hat bis zum Ende. Sein Reich beginnt bereits in dieser Welt verborgen zu wachsen.
Es gibt zwei Haltungen oder Zustände, die der christlichen Hoffnung entgegengesetzt sind, das sind die Vermessenheit und die Verzweiflung. Die Vermessenheit, d. h. auch der Stolz ist eine Haltung, wo sich ein Mensch ganz auf sich selbst verlässt und glaubt, er könne sich alles irgendwie richten. In der Neuzeit wurde der Glaube an Gott vielfach durch den Glauben an den Fortschritt ersetzt. Dieser Glaube wurde eine Art Religionsersatz. Man meinte, dass es innerhalb der Geschichte einen automatischen Fortschritt gäbe. Im Nationalsozialismus wurde so die religiöse Sehnsucht des Menschen, seine Hoffnung auf das Kommen des tausendjährigen Reiches projiziert, im Kommunismus auf die klassenlose Gesellschaft, in den letzten Jahrzehnten bekam der Fortschrittglaube durch die Vision von der multikulturellen Gesellschaft neue Nahrung. Viele Menschen haben in einer Art ersatzreligiösen Mentalität auf die Erfüllungen des Fortschrittes gewartet. Gegenwärtig erleben wir gerade den Zusammenbruch des Fortschrittsglaubens, die Zerstörung vieler irdischer Hoffnungen, das Ende der Machbarkeit, das Ende der Wissenschaftsgläubigkeit. Das ist auch eine Chance, wieder das Wesentliche zu entdecken.
Das zweite Gegenteil der Hoffnung ist die Verzweiflung. Der Mensch, der keinen Sinn findet, der kein Ziel hat, an das er glaubt, der Mensch, der auf vergängliche Dinge baut, kann leicht in die Verzweiflung fallen. Oft sind Stolz und Verzweiflung sehr nahe beieinander. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Haltung des Relativismus ausgebreitet. Man hat Gott relativiert nach dem Motto, Hauptsache man glaubt an irgendetwas, man hat die Kirche relativiert, als ob sie nur ein religiöser Verein wäre, und man hat auch den Menschen relativiert, sogar sein Leben bzw. sein Lebensrecht. Dazu kam noch, dass man dem Menschen die Verwurzelung in der Heimat und in der Familie nehmen wollte. Wenn alles relativ ist, dann verliert der Mensch den Boden unter den Füßen.
In der gegenwärtigen Krise spürt man eigentlich, wie wichtig eine wahre Hoffnung wäre. In dem an sich lobenswerten Bemühen, die Lage voll in den Griff zu bekommen, scheint doch auch irgendwie die Ideologie der Machbarkeit noch mitzuschwingen. Andererseits sieht man, das gerade Kirchenführer, die prädestiniert wären, Hoffnung zu geben, in ihrem Übereifer, sich in der Selbstausschaltung kirchlicher Tätigkeiten zu profilieren, den Eindruck erwecken, dass sie nicht mehr an die Wirksamkeit der geistlichen Mittel, an das mögliche Eingreifen Gottes glauben, verweltliche Geistliche, die wenig Hoffnung ausstrahlen.
In dieser Situation sollten Christen Hoffnung vermitteln. Die Heilige Schrift gibt uns dazu viele Anhaltspunkte. So heißt es in Psalm 17,14: „Hoffe auf den Herrn, und sei stark! Hab festen Mut, und hoffe auf den Herrn“. Im Buch der Weisheit heißt es: „Unglücklich sind alle, die Weisheit und Belehrung verachten; leer ist ihre Hoffnung, vergeblich sind ihre Mühen …“ (Wh 3,11). In Vers 14 heißt es: „Ja, die Hoffnung des Frevlers ist wie die Spreu, die der Wind verweht …“
Der Apostel Paulus erwähnt Abraham, der gegen alle Hoffnung geglaubt habe, dass er der Vater vieler Völker werde (Röm 4,18) und schreibt über die Hoffnung der Glaubenden: „Gerecht gemacht aus Glauben haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus unseren Herrn. Durch ihn haben wir auch den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen, und rühmen uns unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. Mehr noch, wir rühmen uns ebenso unserer Bedrängnis, denn wir wissen, Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,1-5).
Aus dieser Stelle geht auch hervor, dass man Hoffnung nicht einfach haben kann durch Erkenntnis. Der Mensch wächst in der Hoffnung, wenn er sich auf Gott einlässt, wenn er trotz Bedrängnissen bei Gott bleibt, wenn er in Nöten die Geduld erwirbt und so immer tiefer in Gott verankert wird. So entsteht durch diese Bewährung eine feste Hoffnung.
Der Mensch lernt, in der Tugend der Hoffnung zu wachsen durch das Gebet, durch das Leben aus dem Glauben, durch das Leiden und durch den Blick auf das Gericht.
Das Gebet, sagt der Heilige Augustinus ist eine Übung der Sehnsucht. Im Gebet streckt sich der Mensch nach Gott aus, im Gebet entsteht eine persönliche Beziehung zu dem, der größer ist als wir. Wer lernt, alle Lebenslagen vor Gott betend hinzutragen, in dem wächst die Hoffnung.
Die Hoffnung wächst durch das Tun des Menschen. Wenn der Mensch sich für das Gute und Wahre einsetzt, sich selbst verschenkt, dann wächst die Hoffnung. Ebenso oder noch mehr im Leiden. Wenn der Mensch nicht vor dem Leid flieht, sondern Leiden annimmt und versucht, diese mit dem Leiden Christi zu vereinen, dann wächst im Blick auf den liebenden Heiland die Hoffnung in ihm.
Wir glauben an die Barmherzigkeit Gottes und daran, dass er ein gerechter Richter ist. Das Wissen um das Gericht Gottes gibt uns Hoffnung und motiviert, das eigene Heil und das Heil anderer zu erstreben. Dadurch wächst die Hoffnung.
Die Tugend der Hoffnung ist keine bloße Vertröstung auf das Jenseits, denn das Reich Gottes wächst schon verborgen in dieser Welt. Eine Vorfreude auf den Himmel kann die Erde irgendwie schon zu einer Art Vorzimmer des Himmels werden lassen. So hilft uns die Hoffnung vielmehr, im täglichen Leben Mut und Zuversicht an den Tag zu legen und andere Menschen zu ermutigen. Sie hilft uns, trotz Niederlagen weiterzuschreiten, sie befreit vor Menschenfurcht und gibt uns die Freiheit des Christen, der weiß: „Was kein Auge gesehen hat, was kein Ohr gehört hat, und was in keines Menschenherz je gedrungen ist, hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.“
Als Christen können wir auch darauf vertrauen und hoffen, dass Gott uns gerade durch die Krise, wenn wir sie auch als von ihm zugelassen erkennen und annehmen, helfen kann, dem Ziel unserer Hoffnung näherzukommen. Wenn wir heuer das Ziel unserer Hoffnung, die Auferstehung von den Toten, nicht öffentlich feiern können, so kann gerade im schmerzlichen Verzicht darauf diese Hoffnung in uns gestärkt werden.
Mit Euch in der gemeinsamen Hoffnung verbunden
Ignaz Steinwender