Wort des Tages – Annehmen
Liebe Gläubige! Liebe Leser der Pfarrhomepage!!
Es gab wohl kaum eine Zeit, wo so viele Menschen soviel nachgedacht haben, über das eigene Leben, über den Weg, den wir in der letzten Zeit gegangen sind, über Versäumtes, über die Gegenwart und auch die Frage, wie wird es weitergehen, was wird nachher sein. Zuerst haben wir von dem Problem in China erfahren, bald darauf von Italien, auf einmal war Tirol selbst in den Schlagzeilen, und plötzlich betrifft es Menschen aus dem unmittelbaren Bekanntenkreis. Es ist jetzt ganz da.
Mir geht es da auch so wie sicher jedem von Euch. Wenn ich über die Gegenwart nachdenke, dann frage ich mich auch, was sagt Gott mir jetzt für dieser Zeit? Ich bin mir ganz sicher, dass diese Zeit jetzt eine Zeit der Gnade ist, Gott will uns weiterführen! Die Grundfrage, die sich stellt, was kann ich, was können wir jetzt in dieser Situation tun und lernen? Heute möchte ich nur einen Punkt erwähnen, der für mich aber ein Schlüsselpunkt ist. Jetzt können wir neu oder noch mehr lernen, Dinge anzunehmen, die so sind, wie sie sind und nicht so, wie wir möchten. Wenn wir das akzteptieren, dann bewirkt das in uns eine Veränderung, die uns hilft, mit dem Problem richtig und gut umzugehen. Ich glaube, dass sich dann mehr verändert wie durch viele umwälzende Veränderungen in den letzten Jahrzehnten.
Momentan gibt es viele Einschränkungen: die Freiheit ist eingeschränkt, berufliche Möglichkeiten sind für manche überhaupt weg oder gemindert, die Bewegungsmöglichkeiten, vielleicht bald auch die Meinungsfreiheit. Es trifft fast alle, manche härter, besonders hart trifft es Menschen, die bisher gewohnt waren, sich alles zu richten, die Macht ausgeübt haben und auch in dem Bewusstsein gelebt haben, dass alles machbar ist und dass sie auf niemanden angewiesen sind. Ich denke und fühle jetzt besonders mit denen, die es hart oder härter trifft, weil das meine ureigenste Aufgabe als Seelsorger ist.
Macht und „Machtigkeit“
Auferlegte Einschränkungen lassen uns nachdenken über Macht und Machtigkeit. Die Macht an sich ist etwas Gutes, wenn der Mensch sie im Guten, am besten in der Ordnung der Liebe gebraucht. Man kann auch sündigen, wenn man Machtausübung verweigert, aus Angst keine Entscheidungen trifft etc. Im Gegensatz dazu ist die Machtigkeit die Bestrebung, sich auf alle Fälle durchzusetzen, oft eben auf Kosten des oder der Anderen. Diese „Machtigkeit“ führt sicher nicht zum Glück, schon gar nicht zum Heil, sie fördert nicht die Gemeinschaft.
Diese Machtigkeit kann es subtil in der Familie geben, wo Menschen auf Kosten des anderen ihr EGO pflegen, in der Politik, wo Übervorteilungen durch Beziehungen geschehen, in den Medien, wo alles, was dem Zeitgeist widerspricht, niedergemacht wird.
Plötzlich ist nun ein Problem da, dessen wir nicht einfach Herr werden. Niemand kann sagen, dass wir das im Griff haben, niemand weiß mit Sicherheit, wie sich das entwickelt. Niemand kann sagen, wen es vielleicht direkt betreffen wird. Nun wird versucht, mit allen Mitteln dieses Problem unter Kontrolle zu bringen und wir erlebt jetzt in vielem die Ohnmacht.
Bei schwierigen Problemen gibt es immer verschieden Weisen, darauf zu reagieren. Wichtig ist sicher, einmal das Mögliche zu tun, um das Problem zu lösen. Da geschieht sehr viel. Dann gibt es die Versuche, einen Schuldigen zu suchen, dass ist, vor allem zum gegenwärtigen Zeitpunkt, verantwortungslos, dann gibt es die Möglichkeit, zu klagen, zu resignieren etc. das bringt auch niemandem weiter.
Am besten ist es, wenn sich der einzelne fragt. Was kann sich jetzt in dieser Situation besonders bei mir zum Guten verändern. Und hier möchte ich einen besonderen Punkt erwähnen. Jetzt können wir lernen, unsere „Machtigkeit“ zu überwinden und den Wert des Annehmens entdecken. Dies könnte in drei Schritten geschehen.
Erstens: Abschied vom Machbarkeitswahn, d. h. umdenken. In den letzten Jahrzehnten hat sich immer mehr die Mentalität ausgebreitet, wir würden alles können, für alles ist jemand zuständig, alles muss funktionieren, wir machen alles. Dieser Gedanke ist sogar in das religiöse Leben vorgedrungen, sodass nicht selten die Tendenz da war, wir machen uns dieses oder jenes Fest, die Gemeinde feiert sich selbst. Davon sollen wir jetzt Abschied nehmen, jetzt ist die Zeit zu einer geistigen Wende gekommen.
Zweitens: Das, was ist, einfach einmal annehmen. Wenn ich etwas annehme und einfach ja dazu sage, dann ist die Last des Problems sofort leichter. Darüber hinaus führt dieses Annehmen dazu, dass ich innerlich freier werde. Ich kann mit dem Problem besser umgehen, nüchterner, zielstrebiger, angstfreier und mutiger. Das Annehmen führt zu einer inneren Stärke.
Drittes: Der gläubige Mensch kann dahinter die Führung oder noch besser die Liebe Gottes erkennen. Wen Gott liebt, den züchtigt er, heißt es in der heiligen Schrift. Aus der Kirchengeschichte wissen wir, dass gerade Heilige oft viele Leiden durchschritten haben. Wenn ein Mensch Prüfungen im Glauben annimmt, dann kann Gott ihn dadurch zu einer größeren Tiefe und Seligkeit führen.
Annehmen heißt zugleich anderes loslassen. Jesus sagt einmal: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, dann könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Das heißt, der Christ, der zu einem wirklichen Gottesverhältnis durchdringt, kann sich vor Gott wirklich wie ein Kind sehen und erleben, er kann ganz abhängig und zugleich ganz frei sein, er kann sich ganz geborgen fühlen in seiner Hand. Er braucht nichts fürchten, weil ER da ist.
Jemand hat mir einem bei einem Todesfall einmal erzählt. Mein Vater hat immer gesagt, er möchte auf niemanden angewiesen sein, dann wurde er krank und es kam genau umgekehrt. Ich sagte dann: Deswegen. Ich meinte deswegen, weil ich glaube, dass wir wirklich ganz von Gott abhängig sind, und wenn wir das auch erkennen, dann können wir beim Sterben alles loslassen und uns in seine Hände begeben. Etwas annehmen können und loslassen können, ist die wichtigste Vorbereitung auf das Sterben, aber es ist genauso wichtig für ein erfülltes Leben.
Ein Heiliger hat sich einmal mit der Leidfrage beschäftigt und gesagt: Gott nimmt uns jene Dinge, die wir eigentlich schon vorher nicht wirklich besessen haben. Wenn jemand in ungeordneter Weise, d. h. zum Beispiel in der Haltung der Gier viel besitzt, dann hat er es nicht wirklich, sondern eher haben die Dinge ihn. Wenn jemand einen Partner wie ein Eigentum betrachtet und ihn ausnützt, dann hat er ihn nicht wirklich. Wenn einem der andere alles bedeutet und wichtiger ist als Gott, dann ist es auch eine ungeordnete Bindung. In beiden Fällen ist die Gefahr groß, den anderen zu verlieren. Wenn wir Messen feiern, Taufen, Hochzeiten und Gott ist nicht wirklich der Mittelpunkt, dann könnte sie Gott uns wegnehmen, weil wir sie gar nicht mehr besessen haben. Darüber sollten wir jetzt nachdenken!
Die gegenwärtige Krise kann uns helfen, im Glauben zur Kindschaft Gottes vorzudringen, sie kann uns helfen, die Dinge wirklich zu besitzen, indem wir alles dankbar als Geschenk betrachten, indem wir uns gegenseitig weder ausnützen noch vergötzen, sondern uns in Gott lieben.
Alles was uns widerfährt, sollen wir annehmen im Glauben, dass der liebende Gott uns dadurch zum Heil führt, zur wahren Kindschaft Gottes.
Zwei Gebete mögen auf dem Weg dorthin hilfreich sein.
Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.
Herr, gib mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Gelassenheit, die Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Ignaz Steinwender